Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
»Was zum Teufel redest du da?«
Ich setze mich auf die Schlafmatte. Queenie kommt schwanzwedelnd
angelaufen. Ich kraule ihr den Kopf, während sie mich überall beschnuppert.
»Jacob, was ist los?«
Als ich es ihm erzähle, wirkt er erst geschockt, dann entsetzt und
schließlich ungläubig.
»Du Dreckskerl«, sagt er, als ich fertig bin.
»Walter, bitte …«
»In Providence willst du also abhauen. Sehr großzügig von dir, so
lange zu warten.«
»Es ist wegen Cam …«
»Ich weiß, dass es wegen Camel ist«, brüllt er. Dann schlägt er sich
mit der Faust gegen die Brust. »Und was ist mit mir?«
Ich öffne den Mund, bringe aber keinen Ton heraus.
»Genau. Das dachte ich mir«, sagt er mit vor Sarkasmus triefender
Stimme.
»Komm mit uns«, platzt es aus mir heraus.
»Ja, prima, das wird gemütlich. Nur wir drei. Und wohin, zum Teufel,
sollen wir gehen?«
»Wir suchen im Billboard nach freien
Stellen.«
»Es gibt keine freien Stellen. Überall in diesem verdammten Land
machen Shows pleite. Menschen verhungern. Sie verhungern! In den Vereinigten
Staaten von Amerika!«
»Irgendwas werden wir schon finden.«
»Einen Dreck werden wir«, sagt er kopfschüttelnd. »Verdammt, Jacob.
Ich hoffe, sie ist es wert, mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Auf dem Weg zur Menagerie halte ich unentwegt nach August
Ausschau. Er ist nirgends zu sehen, aber die Anspannung der Menageriearbeiter
ist fast greifbar.
Nachmittags werde ich zu den Privatabteilen bestellt.
»Setz dich«, sagt Onkel Al, als ich hereinkomme. Er deutet auf den
Stuhl ihm gegenüber.
Ich setze mich.
Er lehnt sich zurück und zwirbelt seinen Schnurrbart. Die Augen hat
er zusammengekniffen. »Hast du schon Fortschritte gemacht?«, fragt er.
»Noch nicht«, antworte ich. »Aber ich glaube, sie fängt sich
wieder.«
Er öffnet die Augen und hört auf zu zwirbeln. »Wirklich?«
»Natürlich nicht von heute auf morgen. Sie ist immer noch wütend.«
»Ja, ja, natürlich.« Er beugt sich erwartungsvoll vor. »Aber du
glaubst wirklich …?« Er bricht mitten in der Frage ab. In seinen Augen blitzt
Hoffnung auf.
Mit einem tiefen Seufzer lehne ich mich zurück und schlage die Beine
übereinander. »Wenn zwei Menschen füreinander bestimmt sind, werden sie auch
zusammen sein. Das ist Schicksal.«
Während er mich anstarrt, breitet sich ein Lächeln auf seinem
Gesicht aus. Er hebt die Hand und schnipst mit den Fingern. »Einen Brandy für
Jacob«, befiehlt er. »Und für mich auch einen.«
Wenig später halten wir beide große Kognakschwenker in der Hand.
»Also raus damit, was glaubst du, wie lange …?«, fragt er, während
er das Glas auf Kopfhöhe schwenkt.
»Sie will wohl erst mal ihren Standpunkt klarmachen.«
»Ja, ja, sicher«, stimmt er zu. Er beugt sich mit glänzenden Augen
vor. »Ja. Das verstehe ich vollkommen.«
»Außerdem sollte sie unbedingt das Gefühl haben, dass wir sie
unterstützen und nicht ihn. Sie wissen ja, wie Frauen sind. Wenn sie auch nur
den Verdacht hegt, wir hätten kein Mitgefühl, wirft uns das meilenweit zurück.«
»Natürlich.« Er nickt und schüttelt gleichzeitig den Kopf, sodass er
ihn im Kreis bewegt. »Vollkommen einverstanden. Und was sollen wir deiner
Meinung nach unternehmen?«
»Na ja, August sollte selbstredend Abstand wahren. Dadurch bekäme
sie die Gelegenheit, ihn zu vermissen. Es könnte sogar hilfreich sein, wenn er
so tut, als wäre er nicht mehr interessiert. Frauen
sind in solchen Dingen komisch. Außerdem darf sie auf keinen Fall denken, dass
wir sie wieder verkuppeln wollen. Sie muss es für ihre Idee halten.«
»Hmm, ja«, meint er mit nachdenklichem Nicken. »Da könntest du recht
haben. Und was glaubst du, wie lange …?«
»Ich schätze, höchstens ein paar Wochen.«
Er hört auf zu nicken und reißt die Augen auf. »So lange?«
»Ich kann versuchen, die Sache zu beschleunigen, aber dann laufen
wir Gefahr, dass es nach hinten losgeht. Sie kennen doch die Frauen.« Ich zucke
mit den Schultern. »Vielleicht dauert es zwei Wochen, vielleicht nur bis
morgen. Aber wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlt, wird sie es allein aus
Trotz hinauszögern.«
»Ja, richtig.« Onkel Al legt einen Finger an die Lippen. Er mustert
mich eine halbe Ewigkeit lang. »Verrat mir doch mal, wie es kommt, dass du seit
gestern deine Meinung geändert hast.«
Ich hebe mein Glas und schwenke den Brandy darin, dabei fixiere ich
den Punkt, an dem der Stiel in den Kelch übergeht. »Sagen wir einfach, dass
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