Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
überreden, mich ein oder zwei Stunden dort bleiben zu
lassen. Trotzdem murrt er, und ich schlinge die Arme um die Knie, um mich so
klein wie möglich zu machen.
Der Geruch ungewaschener Körper und Kleidung ist erdrückend. In und
unter den Kojen, von denen jeweils drei übereinander stehen, liegen mindestens
ein, manchmal auch zwei Männer. Der Bursche, der sich in die Nische mir
gegenüber gequetscht hat, versucht vergebens, eine dünne, graue Decke mit
Fausthieben zu einem Kissen zu formen.
Durch den allgemeinen Lärm dringt eine Stimme: » Ojcze
nasz, któryś jest w niebie, święś się imię Twoje, przyjdz królestwo
Twoje … «
»Gottverdammt«, sagt mein Gastgeber. Er streckt den Kopf in den
Gang. »Sprich Englisch, du blöder Polack!« Kopfschüttelnd zieht er sich wieder
unter die Koje zurück. »Diese Typen manchmal. Keine fünf Minuten im Land.«
»… i nie wódz nas na pokuszenie, ale zbaw nas
ode złego. Amen .«
Ich schmiege mich an die Wand, schließe die Augen und flüstere:
»Amen.«
Der Zug schlingert. Das Licht flackert auf, dann erlischt es. Irgendwo
vor uns gellt eine Pfeife. Wir fahren an, und das Licht brennt wieder. Ich bin
unglaublich müde, und mein Kopf knallt ungebremst gegen die Wand.
Eine Weile später wache ich auf und sehe vor mir ein paar riesige
Arbeitsstiefel.
»Bist du so weit?«
Ich schüttle den Kopf und versuche, mich zurechtzufinden.
Dabei kann ich meine Sehnen quietschen und knacken hören. Dann sehe
ich ein Knie und schließlich Earls Gesicht. »Bist du immer noch da unten?«,
fragt er und lugt unter die Koje.
»Ja. Tut mir leid.«
Ich winde mich unter der Koje hervor und rapple mich hoch.
»Halleluja«, sagt mein Gastgeber und streckt sich.
» Pierdol sie˛ «, antworte ich.
In einer Koje ein paar Schritte weiter prustet jemand vor Lachen.
»Komm mit«, sagt Earl. »Al hat genug intus, um lockerer zu sein,
aber nicht so viel, um fies zu werden. Ich schätze, das ist deine Chance.«
Er führt mich durch zwei weitere Schlafwagen. Als wir die Plattform
an ihrem Ende erreichen, stehen wir vor einem Wagen ganz anderer Kategorie.
Durch sein Fenster sehe ich glänzend poliertes Holz und reich verzierte Lampen.
Earl sieht mich an. »Bereit?«
»Klar«, antworte ich.
Ich bin keineswegs bereit. Er packt mich am Kragen und schmettert
mich mit dem Gesicht gegen den Türrahmen. Mit der anderen Hand reißt er die
Schiebetür zur Seite und stößt mich hinein. Ich falle mit ausgestreckten Armen
nach vorne. Ein Messinggeländer fängt meinen Sturz ab, ich richte mich auf und
blicke mich schockiert nach Earl um. Dann sehe ich die anderen.
»Was ist denn das?«, fragt Onkel Al aus den Tiefen eines
Ohrensessels. Er sitzt mit drei anderen Männern an einem Tisch, rollt zwischen
Daumen und Zeigefinger der einen Hand eine dicke Zigarre hin und her und hält
in der anderen Hand fünf aufgefächerte Karten. Vor ihm auf dem Tisch steht ein
Kognakglas, direkt dahinter liegt ein ansehnlicher Stapel Pokerchips.
»Ist auf den Zug gesprungen, Sir. Hab ihn gefunden, als er durch
einen Schlafwagen schleichen wollte.«
»Ach ja?«, fragt Onkel Al. Er zieht träge an seiner Zigarre, bevor
er sie am Rand eines Standaschers ablegt. Dann lehnt er sich zurück, betrachtet
seine Karten und lässt aus den Mundwinkeln Rauch aufsteigen. »Ich halte deine
drei und erhöhe um fünf«, sagt er, beugt sich vor und wirft einen Stapel Chips
in den Pott.
»Soll ich ihm zeigen, wo die Tür ist?«, fragt Earl. Er kommt auf
mich zu, packt mich am Revers und zieht mich hoch. Ich spanne die Muskeln an
und umklammere seine Handgelenke; wenn er mich noch einmal werfen will, werde
ich mich festhalten. Ich blicke von Onkel Al zur unteren Hälfte von Earls
Gesicht – mehr kann ich nicht sehen – und wieder zurück.
Onkel Al schiebt seine Karten zusammen und legt sie sorgfältig auf
den Tisch. »Noch nicht, Earl«, sagt er. Dann greift er zur Zigarre und nimmt
einen Zug. »Lass ihn runter.«
Earl setzt mich ab, den Rücken Onkel Al zugewandt. Er unternimmt
einen halbherzigen Versuch, meine Jacke glattzuziehen.
»Komm näher«, fordert Onkel Al mich auf.
Ich gehorche und bin froh, aus Earls Reichweite zu kommen.
»Ich glaube, ich hatte noch nicht das Vergnügen«, sagt er und stößt
einen Rauchring aus. »Wie heißt du?«
»Jacob Jankowski, Sir.«
»Und was, bitteschön, hat Jacob Jankowski auf meinem Zug vor?«
»Ich suche Arbeit«, antworte ich.
Onkel Al starrt mich an, während er träge
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