Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
Männer, die sich
mit einer aufgerollten Zeltwand abmühen. Im Vorübergehen verpasst er einem der
Männer einen Schlag auf den Kopf. Der Mann schreit auf, dreht sich um und reibt
sich das Ohr, aber Onkel Al und sein Gefolge sind längst weitergezogen.
    »Da fällt mir ein«, wirft Camel mir über die Schulter zu, »egal was
du tust, erwähne vor Onkel Al niemals Ringling.«
    »Warum nicht?«
    »Lass es einfach.«
    Camel hastet zu Onkel Al und stellt sich ihm in den Weg. »Ach, da
sind Sie ja«, quäkt er mit gekünstelter Stimme. »Könnte ich vielleicht kurz mit
Ihnen sprechen, Sir?«
    »Jetzt nicht, Bursche, jetzt nicht«, dröhnt Al und marschiert im
Stechschritt weiter, wie diese Braunhemden, die man neuerdings in den körnigen
Wochenschauen im Kino sieht. Kraftlos humpelt Camel hinterher, streckt den Kopf
zur einen Seite vor, lässt sich dann zurückfallen und läuft wie ein geprügelter
Hund zur anderen Seite.
    »Es dauert nur einen Augenblick, Sir. Ich hab mich nur gefragt, ob
eine der Abteilungen vielleicht noch jemanden brauchen kann.«
    »Du willst wohl einen neuen Job, was?«
    Camels Stimme schraubt sich hoch wie eine Sirene. »Oh, nein, Sir.
Ich nicht. Ich bin zufrieden da, wo ich bin. Ja, Sir. Zufrieden wie ein Fisch
im Wasser.« Er kichert irre.
    Die Entfernung zwischen ihnen wird immer größer. Camel stolpert und
wird langsamer. »Sir?«, ruft er hinterher. Er bleibt stehen. »Sir?«
    Onkel Al ist zwischen all den Leuten, Pferden und Karren
verschwunden.
    »Verdammt. Verdammtnochmal!« Camel reißt sich den Hut vom Kopf und
pfeffert ihn auf den Boden.
    »Schon in Ordnung, Camel«, sage ich. »Danke, dass du’s versucht
hast.«
    »Nein, es ist nicht in Ordnung«, schreit er.
    »Camel, ich …«
    »Sei bloß ruhig. Ich will’s gar nicht hören. Du bist ein guter Kerl,
und ich werd nicht einfach daneben stehen und zusehen, wie du dich
davonschleichst, weil dieser launische Fettsack keine Zeit hat. Mach ich nicht.
Also erweis einem alten Mann ein bisschen Respekt und funk mir nicht
dazwischen.«
    Seine Augen blitzen.
    Ich bücke mich, um den Hut aufzuheben, wische den Schmutz ab und
strecke ihn Camel entgegen.
    Nach kurzem Zögern nimmt er ihn an. »Na gut«, sagt er schroff. »Ich
schätze, das geht klar.«
    Camel nimmt mich mit zu einem Waggon und sagt mir, ich soll
davor warten. Ich lehne mich gegen eines der riesigen Speichenräder und
vertreibe mir die Zeit damit, abwechselnd Splitter unter meinen Fingernägeln
herauszupulen und auf langen Grashalmen herumzukauen. Einmal fällt mir der Kopf
nach vorne, fast wäre ich eingeschlafen.
    Eine Stunde später taumelt Camel wieder heraus, in einer Hand eine
Flasche, in der anderen eine Selbstgedrehte. Seine flatternden Augenlider
stehen auf Halbmast.
    »Das da is’ Earl«, lallt er und deutet mit ausladender Geste auf den
Wagen. »Er kümmert sich um dich.«
    Ein kahlköpfiger Mann steigt aus dem Wagen. Er ist riesig, sein Hals
ist dicker als sein Kopf. Verwischte grüne Tätowierungen ziehen sich von seinen
Fingerknöcheln aus über die stark behaarten Arme. Er streckt die Hand aus.
    »Sehr erfreut«, sagt er.
    »Ganz meinerseits«, entgegne ich verblüfft. Ich drehe mich zu Camel
um, der im Zickzack über das saftige Gras in die ungefähre Richtung der
Fliegenden Vorhut läuft. Dabei singt er, und zwar schief.
    Earl hält die Hände wie einen Trichter an den Mund. »Camel, halt die
Klappe! Mach, dass du in den Zug kommst, bevor er ohne dich losfährt.«
    Camel fällt auf die Knie.
    »Ach, verdammt«, sagt Earl. »Warte hier. Ich bin gleich wieder da.«
    Er geht hinüber und hebt den alten Mann so mühelos hoch, als wäre er
ein Kind. Camel lässt Arme, Beine und Kopf einfach baumeln. Er kichert und
seufzt.
    Earl setzt Camel in der Tür eines Waggons ab, beratschlagt mit
jemandem im Inneren und kommt dann zurück.
    »Das Zeug bringt den alten Kerl noch um«, grummelt er, während er
direkt an mir vorbeigeht. »Wenn es ihm nicht die Gedärme zerfrisst, fällt er
irgendwann von diesem gottverdammten Zug. Ich rühr das Zeug nicht an«, sagt er
mit einem Blick über die Schulter zu mir.
    Ich stehe wie angewurzelt dort, wo er mich zurückgelassen hat.
    Er wirkt überrascht. »Kommst du jetzt, oder was?«
    Als der letzte Zugabschnitt losfährt, kauere ich mich in einem
Schlafwagen eng zusammengedrängt mit einem anderen Mann unter eine Koje. Er ist
der rechtmäßige Besitzer dieses Fleckchens, ließ sich aber um den Preis meines
einzigen Dollars dazu

Weitere Kostenlose Bücher