Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
berichtet, wie er Marlena den Hof machte.
Er erzählt davon, wie er ihre starke Verbindung zu Pferden in dem Moment
erkannte, in dem sie vor drei Jahren das Menageriezelt betrat – die Pferde
selbst verrieten es ihm. Und davon, wie er Onkel Al in große Bedrängnis
brachte, weil er sich nicht fortrühren wollte, bevor er sie im Sturm erobert
und geheiratet hätte.
»Das war nicht leicht«, sagt August, gießt den Rest aus einer
Champagnerflasche in mein Glas und langt nach der nächsten. »Marlena ist nicht
leicht zu überzeugen, außerdem war sie damals so gut wie verlobt. Aber das hier
ist besser, als mit einem spießigen Bankier verheiratet zu sein, nicht wahr,
Liebling? Jedenfalls liegt es ihr im Blut. Nicht jeder kann eine
Freiheitsdressur zeigen. Das ist ein Talent, eine Gabe, ein sechster Sinn, wenn
du so willst. Sie kann mit den Pferden sprechen, und glaub mir, sie hören ihr
zu.«
Nach vier Stunden und sechs Flaschen tanzen August und Marlena zu
»Maybe It’s the Moon«, während ich mich, das rechte Bein über der Armlehne
baumelnd, auf einem Polstersessel fläze. August wirbelt Marlena ein letztes Mal
herum, bevor sie mit ausgestreckten Armen, Hand in Hand, stehen bleiben. Er
schwankt. Sein Haar ist zerzaust, seine Fliege hängt offen aus dem Hemdkragen, und
er hat das Hemd oben aufgeknöpft. Er starrt Marlena so durchdringend an, dass
er wie ein anderer Mensch aussieht.
»Was ist los?«, fragt Marlena. »Auggie? Geht es dir gut?«
Sein Blick hängt wie gebannt an ihrem Gesicht, und er legt den Kopf
schief, als wolle er ihren Wert schätzen. Er hebt die Mundwinkel an. Dann nickt
er, langsam, es ist nur eine winzige Bewegung.
Marlena reißt die Augen auf. Sie versucht zurückzuweichen, doch er
umfasst mit der Hand ihr Kinn.
Schlagartig hellwach setze ich mich auf.
Mit kalten, glänzenden Augen starrt August sie weiter an. Dann
verwandelt sich sein Gesichtsausdruck erneut, er wirkt so sentimental, dass ich
einen Moment lang damit rechne, er könne gleich in Tränen ausbrechen. Die Hand
an ihrem Kinn, zieht er sie zu sich und küsst sie auf die Lippen. Dann nimmt er
Kurs aufs Schlafzimmer und fällt mit dem Gesicht voran aufs Bett.
»Entschuldige mich einen Moment.« Sie geht ins Schlafzimmer und
wälzt ihn herum, sodass er lang ausgestreckt mitten auf dem Bett liegt. Sie
zieht ihm die Schuhe aus und lässt sie zu Boden fallen. Als sie wieder
herauskommt, schließt sie den Samtvorhang, überlegt es sich aber sofort anders.
Sie öffnet ihn wieder, stellt das Radio aus und nimmt mir gegenüber Platz.
Ein majestätisches Schnarchen dringt aus dem Schlafzimmer.
Mir brummt der Schädel, ich bin sturzbetrunken.
»Was zum Teufel war das denn?«, frage ich.
»Was?« Marlena schleudert ihre Schuhe von den Füßen, schlägt die
Beine übereinander und beugt sich vor, um den Spann zu massieren. Augusts
Finger haben auf ihrem Kinn rote Abdrücke hinterlassen.
»Das«, bricht es aus mir hervor. »Gerade. Als ihr getanzt habt.«
Rasch hebt sie den Kopf. Ihre Züge verzerren sich, und ich fürchte,
sie fängt gleich an zu weinen. Dann dreht sie sich zum Fenster und hält einen
Finger an die Lippen. Beinahe eine halbe Minute lang schweigt sie.
»Du musst etwas über Auggie verstehen«, sagt sie, »und ich weiß
nicht recht, wie ich es erklären soll.«
Ich lehne mich vor. »Versuch es.«
»Er ist … launisch. Er kann der charmanteste Mann auf Erden sein. So
wie heute Abend.«
Ich warte, dass sie weiterspricht. »Und …?«
Sie lehnt sich in ihrem Sessel zurück. »Und, na ja, er hat … so
Momente. Wie heute.«
»Was war heute?«
»Er hat dich fast an eine Raubkatze verfüttert.«
»Ach. Das. Ich war nicht gerade begeistert, aber es war nicht
wirklich gefährlich. Rex hat doch keine Zähne.«
»Nein, aber er wiegt zweihundert Kilo und hat Krallen«, sagt sie
leise.
Ich stelle mein Weinglas auf den Tisch, als mir die Tragweite ihrer
Bemerkung klar wird. Marlena zögert, dann blickt sie auf und sieht mir in die
Augen. »Jankowski ist ein polnischer Name, oder?«
»Ja. Sicher.«
»Die meisten Polen mögen keine Juden.«
»Ich wusste nicht, dass August Jude ist.«
»Bei dem Namen Rosenbluth?«, fragt sie. Sie senkt den Blick, ihre
Hände verkrampfen sich auf ihrem Schoß. »Meine Familie ist katholisch. Sie
haben mich enterbt, als sie es herausgefunden haben.«
»Das tut mir leid. Aber es überrascht mich nicht.«
Sie blickt mich scharf an.
»So habe ich das nicht gemeint«, sage ich. »Ich bin
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