Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
einem roten Gleislicht bei einem Güterbahnhof, damit du
in die Stadt findest. Und wenn nicht, na, dann kannst du nur hoffen, dass die
Tür nicht aufgeht, während der Zug über eine Brücke fährt.«
Camels Bemerkung über eine Verabredung mit Blackie ergibt plötzlich
Sinn – ebenso wie ein paar der Kommentare während meines ersten Treffens mit
Onkel Al. »Dann lasse ich es eben darauf ankommen und bleibe hier, wenn der Zug
abfährt. Aber auf jeden Fall muss das Pferd getötet werden.«
August starrt mich aus dunkel geränderten Augen an.
»Scheiße«, sagt er schließlich. Er schwingt die Beine herum, sodass
er auf dem Bettende sitzt. Dann reibt er sich die stoppeligen Wangen. »Weiß
Marlena Bescheid?«, fragt er, beugt sich vor und kratzt sich durch die Socken
an den Zehen.
»Ja.«
»Verdammt.« Er steht auf und presst eine Hand gegen den Kopf. »Al
bekommt einen Anfall. Na gut, wir treffen uns in ein paar Minuten am
Pferdewagen. Ich bringe das Gewehr mit.«
Ich wende mich zum Gehen.
»Ach, Jacob?«
»Ja?«
»Zieh doch bitte erst meinen Smoking aus.«
Als ich wieder beim Pferdewagen ankomme, steht die Innentür
offen. Reichlich beklommen strecke ich den Kopf hinein, aber Kinko ist
verschwunden. Ich gehe in den Verschlag und ziehe meine normalen Sachen an. Ein
paar Minuten später taucht August mit einem Gewehr auf.
»Hier«, sagt er, als er die Rampe heraufkommt. Er reicht mir das
Gewehr und lässt zwei Patronen in meine freie Hand fallen.
Eine davon stecke ich in meine Tasche, die andere halte ich ihm
wieder entgegen. »Ich brauche nur eine.«
»Und wenn du vorbeischießt?«
»Verdammt noch mal, August, ich stehe direkt neben ihm.«
Er starrt mich an, dann nimmt er die überzählige Patrone. »Na gut,
in Ordnung. Bring ihn weit genug vom Zug weg, bevor du es tust.«
»Du machst wohl Witze. Er kann nicht laufen.«
»Hier geht es nicht«, sagt er. »Die anderen Pferde stehen direkt
daneben.«
Ich sehe ihn bloß an.
»Scheiße«, sagt er schließlich. Er dreht sich um und lehnt sich an
die Wand, mit den Fingern trommelt er gegen die Holzlatten. »Gut. In Ordnung.«
Er geht zur Tür. »Otis! Joe! Holt die anderen Pferde hier raus.
Bringt sie mindestens bis zum zweiten Zugabschnitt.«
Draußen murmelt jemand etwas.
»Ja, ich weiß«, sagt August. »Sie müssen eben einfach warten. Ja,
das weiß ich. Ich spreche mit Al und erkläre ihm, es gab eine kleine …
Komplikation.«
Er wendet sich wieder mir zu. »Ich werde mal Al suchen gehen.«
»Du sollest lieber auch Marlena suchen.«
»Hast du nicht gesagt, sie weiß schon Bescheid?«
»Das stimmt. Aber ich möchte nicht, dass sie alleine ist, wenn sie
den Schuss hört. Du etwa?«
August starrt mich lange und durchdringend an. Als er schließlich
die Rampe hinunterstampft, setzt er die Füße mit solcher Wucht auf, dass die
Bretter unter ihm erzittern.
Ich warte eine volle Viertelstunde, um August genug Zeit zu
geben, Onkel Al und Marlena zu finden, und auch, damit die Männer die anderen
Tiere weit genug wegbringen können.
Dann endlich nehme ich das Gewehr in die Hand, schiebe die Patrone
in die Kammer und spanne den Bolzen. Silver Star presst das Maul gegen die
Boxenwand, seine Ohren zucken. Ich beuge mich vor und fahre mit den Fingern
seinen Hals entlang. Dann setze ich die Gewehrmündung unterhalb seines linken
Ohrs an und drücke ab.
Der Knall ist gewaltig, der Gewehrkolben hämmert gegen meine
Schulter. Silver Star verkrampft sich, seine Muskeln spannen sich in einem
letzten Nervenzucken an, dann liegt er still. Weit entfernt höre ich ein
einziges, verzweifeltes Wiehern.
Als ich aus dem Pferdewagen steige, habe ich ein Pfeifen in den
Ohren, und trotzdem erscheint mir alles unheimlich still. Eine kleine
Menschenmenge hat sich zusammengefunden. Mit langen Gesichtern stehen die Leute
reglos da. Ein Mann nimmt seinen Hut ab und drückt ihn sich an die Brust.
Ich gehe ein paar Dutzend Schritte vom Zug weg, setze mich auf eine
grasbewachsene Anhöhe und reibe mir die Schulter.
Otis, Pete und Earl betreten den Pferdewagen. Als sie wieder
herauskommen, ziehen sie Silver Stars leblosen Körper an einem Seil um seine
Hinterläufe die Rampe herunter. Sein nach oben gedrehter Bauch sieht riesig und
verletzlich aus, auf dem glatten Schneeweiß heben sich die schwarzen Genitalien
ab. Bei jedem Ruck am Seil scheint er zustimmend mit dem Kopf zu nicken.
Ich sitze beinahe eine Stunde lang la und starre das Gras zwischen
meinen Füßen an. Ich
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