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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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nicht … so.«
    Ein peinliches Schweigen entsteht.
    »Warum bin ich eigentlich hier?«, frage ich schließlich. In meinem
betrunkenen Zustand kann ich das alles nicht verarbeiten.
    »Ich wollte die Sache bereinigen.«
    »Du wolltest das? Er wollte nicht, dass ich komme?«
    »Doch, natürlich. Er wollte es auch wiedergutmachen, aber ihm fällt
das schwerer. Er kommt nicht gegen diese kleinen Momente an. Sie sind ihm
peinlich. Am besten tut man so, als sei nichts gewesen.« Sie schnieft und
schaut mich mit einem angespannten Lächeln an. »Und wir hatten einen schönen
Abend, nicht wahr?«
    »Ja. Das Essen war großartig. Danke.«
    Während wir in erneutes Schweigen verfallen, dämmert mir, dass ich,
falls ich nicht mitten in der Nacht betrunken von Wagen zu Wagen springen will,
die Nacht hier verbringen werde.
    »Bitte, Jacob«, sagt Marlena. »Ich möchte, dass zwischen uns alles
in Ordnung ist. August freut sich so, dass du jetzt bei uns bist. Und Onkel Al
auch.«
    »Und warum freut der sich?«
    »Onkel Al hat es gewurmt, dass er keinen Tierarzt hatte, und dann
tauchst du auf einmal auf, noch dazu von einem Elite-College.«
    Ich begreife immer noch nicht und sehe sie nur an.
    »Ringling hat einen Tierarzt«, fährt Marlena fort, »und Onkel Al ist
glücklich, wenn er wie Ringling ist.«
    »Ich dachte, er hasst Ringling.«
    »Herzchen, er will Ringling sein.«
    Ich lehne den Kopf zurück und schließe die Augen, aber das erweist
sich als verheerend, weil sich alles dreht, also öffne ich sie wieder und
versuche, mich auf die Füße zu konzentrieren, die vom Bettende baumeln.
    Als ich wach werde, steht der Zug – kann ich die
kreischenden Bremsen wirklich verschlafen haben? Ich sitze im Sonnenlicht, das
durch das Fenster hereinfällt, und mein Hirn hämmert gegen den Schädel. Meine
Augen schmerzen, und im Mund habe ich einen Geschmack wie von Abwasser.
    Mühsam kämpfe ich mich hoch und spähe ins Schlafzimmer. August
schmiegt sich, einen Arm über Marlena gelegt, von hinten an sie. Sie liegen
vollständig bekleidet auf der Überdecke.
    Ich ernte vielsagende Blicke, als ich im Smoking, mit meinen anderen
Sachen unter dem Arm, aus Wagen 48 steige. An diesem Ende des Zuges, wo die
meisten Schaulustigen Artisten sind, werde ich mit distanzierter Belustigung
betrachtet. Bei den Schlafwagen der Arbeiter werden die Blicke härter und
argwöhnischer.
    Behutsam klettere ich in den Pferdewagen und öffne die Tür des
kleinen Zimmers.
    Kinko sitzt auf der Kante seiner Pritsche, in der einen Hand einen
Achtseiter, in der anderen seinen Penis. Er erstarrt, die purpur schimmernde Eichel
ragt aus seiner Faust hervor. Einen Herzschlag lang herrscht Stille, dann folgt
das Zischen einer leeren Cola-Flasche, die auf meinen Kopf zufliegt. Ich ducke
mich.
    »Raus hier!«, schreit Kinko, als die Flasche am Türrahmen hinter mir
zerschellt. Er springt auf, sein erigiertes Glied hüpft wild auf und ab. »Raus
hier, verdammt!« Er schmeißt noch eine Flasche nach mir.
    Ich drehe mich zur Tür, halte schützend die Hände hinter den Kopf
und lasse meine Sachen fallen. Dann höre ich einen Reißverschluss, und im
nächsten Augenblick krachen Shakespeares gesammelte Werke neben mir gegen die
Wand. »Okay, okay!«, rufe ich. »Ich geh ja schon!«
    Ich ziehe die Tür hinter mir zu und lehne mich an die Wand. Der
Strom von Flüchen reißt nicht ab.
    Otis taucht vor dem Pferdewagen auf. Erschrocken sieht er auf die
geschlossene Tür, dann zuckt er mit den Schultern. »He, Herr Graf. Hilfst du
uns jetzt mit den Tieren, oder was?«
    »Klar doch.« Ich springe zu Boden.
    Er starrt mich an.
    »Was denn?«, frage ich.
    »Willst du dir nicht erst mal diese Klamotten ausziehen?«
    Ich werfe einen Blick auf die geschlossene Tür hinter mir. Etwas
Schweres kracht von innen gegen die Wand. Ȁhm, nein. Ich glaube, ich bleib
erst mal so.«
    »Musst du wissen. Clive hat die Katzenkäfige sauber gemacht. Wir
sollen das Fleisch holen.«
    Heute Morgen dringt noch mehr Lärm aus dem Kamelwagen.
    »Die Heufresser können die Fahrt mit dem Fleisch echt nicht leiden«,
sagt Otis. »Aber egal, was sie für ein Tamtam machen, wir haben noch ein gutes
Stück Weg vor uns.«
    Ich schiebe die Tür zur Seite. Eine Wolke aus Fliegen quillt heraus.
Ich sehe die Maden im gleichen Moment, in dem mich der Gestank trifft. Es
gelingt mir, ein paar Schritte zur Seite zu taumeln, bevor ich mich übergebe.
Otis macht es mir nach, zusammengekrümmt drückt er die Hände auf den

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