Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
machen soll.
»Ähm«, sagt Marlena, wird knallrot und sieht überall hin, nur nicht
zu mir. »So. Nun ja. Lass uns gehen und auf August warten, ja?«
Wie gebannt schaue ich sie an. Ich will sie küssen. Ich will sie
dringender küssen, als ich jemals irgendetwas anderes wollte.
»Ja«, stimme ich schließlich zu. »Ja. Tun wir das.«
Eine Stunde später kehrt August in das Privatabteil zurück. Er stürmt
herein und knallt die Tür zu. Sofort geht Marlena zu einem Schrank.
»Zweitausend hat dieser nichtsnutzige Dreckskerl für diesen
nichtsnutzigen Dreckselefanten bezahlt«, sagt er, wirft seinen Hut in die Ecke
und reißt sich die Jacke vom Leib. »Zweitausend Piepen,
verdammt!« Er lässt sich auf den nächsten Stuhl fallen und stützt den
Kopf in die Hände.
Marlena holt eine Flasche Blended Whiskey aus dem Schrank, stellt
sie nach einem Blick auf August aber zurück und greift stattdessen einen Single
Malt. »Und das ist nicht mal das Schlimmste – oh, nein«, sagt August, reißt
sich die Krawatte ab und zerrt an seinem Hemdkragen. »Willst du wissen, was er
noch gemacht hat? Naaa? Los, rat mal.«
Er sieht Marlena an, die sich völlig unbeeindruckt gibt. Sie füllt
drei Gläser mit gut vier Fingerbreit Whiskey.
»Du sollst raten!«, blafft August.
»Ich habe keine Ahnung«, sagt Marlena gelassen. Sie schraubt die
Flasche wieder zu.
»Das restliche Geld hat er für einen gottverdammten Elefantenwagen
ausgegeben.«
Plötzlich aufmerksam geworden, dreht Marlena sich um. »Er hat keine
Artisten engagiert?«
»Doch, sicher.«
»Aber …«
»Ja. Genau«, unterbricht August sie.
Marlena gibt ihm sein Glas, winkt mich heran, damit ich meines
nehme, und setzt sich.
Ich trinke einen Schluck und warte, solange ich kann. »Schön, dass
ihr beiden wisst, worüber zum Teufel ihr redet, aber ich weiß es nicht. Würdet
ihr mich wohl einweihen?«
August bläst die Wangen auf, atmet aus und streicht sich eine Locke
aus der Stirn. Er beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf die Knie. Dann
hebt er den Kopf, um mir direkt in die Augen zu sehen. »Das heißt, Jacob, dass
wir Leute eingestellt haben, ohne sie unterbringen zu können. Das heißt, Jacob,
dass Onkel Al den Arbeitern einen Schlafwagen weggenommen und ihn zu einem
Schlafwagen für die Artisten gemacht hat. Und weil er zwei Frauen eingestellt
hat, muss er den Wagen in zwei Abteile trennen. Das heißt, Jacob, weil weniger
als ein Dutzend Artisten untergebracht werden müssen, schlafen jetzt
vierundsechzig Arbeiter unter den Karren auf den Flachwagen.«
»So ein Unsinn«, sage ich. »Er soll doch einfach jeden in den Kojenwagen
stecken, der einen Schlafplatz braucht.«
»Das kann er nicht«, sagt Marlena.
»Warum nicht?«
»Weil man Arbeiter und Artisten nicht zusammenwerfen kann.«
»Aber das geht doch bei Kinko und mir auch.«
»Ha!«, schnaubt August, ein schiefes Lächeln im Gesicht. »Ach,
verrat uns doch bitte – wie läuft es denn?« Er legt den Kopf schief und
lächelt.
Marlena atmet tief durch und schlägt die Beine übereinander. Gleich
darauf wippt ihr roter Lederschuh heftig auf und ab.
Ich stürze meinen Whiskey hinunter und gehe.
Es war viel Whiskey, und seine Wirkung setzt irgendwo
zwischen dem Privatabteil und den Schlafwagen ein. Auch bin ich nicht der
Einzige mit einem Schwips – da die »Geschäfte« jetzt in trockenen Tüchern sind,
lassen alle von Benzinis Spektakulärster Show der Welt etwas Dampf ab. Die Feiern decken die gesamte Bandbreite ab, von vornehmen Soireen
mit Jazz aus dem Radio und fröhlichem Lachen bis zu wahllosen Grüppchen
verdreckter Männer, die sich ein Stück vom Zug entfernt hinkauern und Schnaps
oder Ahnliches reihum gehen lassen. Ich sehe, wie Camel die Hand zum Gruß hebt,
bevor er seinen üblen Fusel weiterreicht.
Aus dem hohen Gras dringen Geräusche, und als ich genauer
nachschaue, entdecke ich einen Mann zwischen nackten, weit gespreizten
Frauenbeinen. Er grunzt und rammelt wie ein Hase. Seine Hose hängt auf
Kniehöhe, sein haariger Hintern fährt auf und ab. Sie hat sich in sein Hemd
gekrallt und stöhnt bei jedem Stoß. Als mir nach einem Moment klar wird, was
ich da beobachte, reiße ich mich los und taumle weiter.
Vor dem Pferdewagen laufen Leute umher, einige sitzen in der offenen
Tür.
Drinnen sind noch mehr Menschen. Kinko, mit einer Flasche in der
Hand und einer Miene trunkener Gastfreundlichkeit, ist der König der Party. Als
er mich sieht, stolpert er und torkelt, doch er wird
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