Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
quer
durchs halbe Land gondelt.« Er seufzt. »Aber Onkel Al weiß es am besten.
Offensichtlich.«
»Ich weiß nicht …«, sage ich. »Die letzte Nacht war ziemlich …
heftig.«
»Feuer mit Feuer, Jacob! Feuer mit Feuer. Komm gegen neun vorbei.«
Mit strahlendem Lächeln marschiert er davon.
Als ich ihm hinterherblicke, wird mir plötzlich klar, wie
schrecklich ungern ich in seiner Gesellschaft sein möchte – und wie unheimlich
gerne in der von Marlena.
Die Tür des Privatabteils öffnet sich, und ich sehe Marlena, die
in ihrem roten Satinkleid umwerfend schön aussieht.
»Was denn?«, fragt sie und blickt an sich hinunter. »Habe ich einen
Fleck auf dem Kleid?« Sie verrenkt sich, um Körper und Beine zu inspizieren.
»Nein«, antworte ich. »Du siehst großartig aus.«
Sie hebt den Blick und sieht mich an.
Hinter ihr kommt August im Frack durch den grünen Vorhang. Er
mustert mich und stellt fest: »So kannst du nicht gehen.«
»Ich habe nichts anderes.«
»Dann musst du dir etwas leihen. Na los. Aber Beeilung, bitte. Das
Taxi wartet.«
Wir rasen durch ein Labyrinth aus Parkplätzen und Gassen, bis
wir an einer Straßenecke in einem Industriegebiet abrupt anhalten. August
steigt aus und reicht dem Fahrer einen zusammengerollten Geldschein.
»Kommt schon«, sagt er und hilft Marlena vom Rücksitz. Ich folge
ihnen.
Wir stehen in einer Gasse zwischen großen Lagerhäusern aus rotem
Backstein. Das Licht der Straßenlaternen fällt auf rauen Asphalt. An einer
Straßenseite hat der Wind Unrat gegen die Wände geweht. Gegenüber parken Autos
– Roadster, Coupés, Limousinen, sogar Luxuswagen –, alles neue und auffällige
Modelle.
August bleibt vor einer eingelassenen Holztür stehen. Nachdem er
energisch geklopft hat, steht er da und wippt mit dem Fuß. Als der längliche
Türspion aufgezogen wird, kommen dahinter die Augen und die
zusammengewachsenen, buschigen Brauen eines Mannes zum Vorschein. Aus dem
Hintergrund dringen die Geräusche einer Feier zu uns.
»Ja?«
»Wir wollen uns die Show ansehen«, sagt August.
»Welche Show?«
»Na, Frankies natürlich«, antwortet August lächelnd.
Der Türspion wird zugeschoben. Dann hört man ein Klicken und
Klappern und schließlich das unverkennbare Öffnen einer Verriegelung. Die Tür
schwingt auf.
Der Mann misst uns mit einem kurzen Blick. Dann winkt er uns hinein
und knallt die Tür zu. Wir durchqueren ein gefliestes Foyer, gehen an einer
Garderobe mit uniformierten Angestellten vorbei und ein paar Stufen hinunter
bis zu einer Tanzfläche mit Marmorboden. Unter der hohen Decke hängen
kunstvolle Kristalllüster. Auf einer erhöhten Bühne spielt eine Kapelle, und
auf der von Tischen und u-förmigen Nischen gesäumten Tanzfläche schieben sich
die Paare. Einige Stufen höher gelegen befindet sich an der rückwärtigen Wand
eine holzvertäfelte Bar mit Barkeepern im Smoking und Hunderten Flaschen auf
Regalen vor einem Spiegel aus Rauchglas.
Marlena und ich warten in einer der mit Leder ausgekleideten
Nischen, während August die Drinks holt. Marlena beobachtet die Kapelle. Sie
hat die Beine übereinandergeschlagen und wippt wieder drohend mit dem Fuß.
Vor mir wird ein Glas auf den Tisch geknallt. Gleich darauf lässt
August sich neben Marlena plumpsen. Bei näherer Betrachtung erkenne ich in
meinem Glas Eiswürfel und Scotch.
»Geht es dir gut?«, fragt Marlena.
»Bestens«, antworte ich.
»Du bist etwas blass um die Nase.«
»Unser Jacob hat einen winzigen Kater«, sagt August. »Wir versuchen,
Feuer mit Feuer zu bekämpfen.«
»Aber sag mir Bescheid, wenn ich aus dem Weg gehen sollte«, sagt Marlena
skeptisch, bevor sie sich wieder der Kapelle zuwendet.
August hebt sein Glas. »Auf die Freundschaft!«
Marlena sieht gerade lange genug über die Schulter, um ihren
schaumigen Drink zu finden, dann hält sie das Glas hoch, während wir mit ihr
anstoßen. Sie saugt geziert an ihrem Trinkhalm und spielt mit ihren lackierten
Fingernägeln daran herum. August kippt seinen Scotch hinunter. Als mein Drink
meine Lippen berührt, versperrt meine Zunge ihm sofort instinktiv den Weg. Da
August mich beobachtet, tue ich so, als würde ich schlucken, bevor ich das Glas
absetze.
»So ist’s gut, mein Junge. Noch ein paar davon, und du bist putzmunter.«
Bei mir bin ich nicht sicher, aber Marlena wird nach dem zweiten
Brandy Alexander deutlich vergnügter. Sie zerrt August auf die Tanzfläche.
Während er sie herumwirbelt, schütte ich meinen Scotch in
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