Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
einen Topf mit einer
Palme.
Mit roten Wangen kehren Marlena und August vom Tanzen zurück.
Marlena seufzt und fächelt sich mit der Karte Luft zu. August zündet sich eine
Zigarette an.
Sein Blick fällt auf mein leeres Glas. »Oh, wie nachlässig von mir«,
sagt er und steht auf. »Noch mal das Gleiche?«
»Ach, warum nicht«, entgegne ich wenig begeistert. Marlena, schon
wieder ganz gefangen von dem Treiben auf der Tanzfläche, nickt bloß.
Vielleicht dreißig Sekunden, nachdem August gegangen ist, springt
sie auf und ergreift meine Hand.
»Was machst du denn?«, frage ich lachend, als sie an meinem Arm
zieht.
»Komm schon! Tanz mit mir!«
»Was?«
»Ich liebe dieses Lied!«
»Nein … ich …«
Doch umsonst, ich stehe längst. Sie zerrt mich auf die Tanzfläche,
swingt, schnippt mit den Fingern. Sobald wir zwischen den anderen Paaren
stehen, dreht sie sich zu mir um. Ich hole tief Luft, dann nehme ich sie in die
Arme. Nach ein paar Takten legen wir los und schweben inmitten der wogenden
Menge über die Tanzfläche.
Sie ist federleicht, nicht einen Schritt verpatzt sie, und bei
meiner Ungeschicklichkeit ist das ein echtes Kunststück. Nicht, dass ich nicht
tanzen könnte, denn das kann ich durchaus. Ich weiß nicht, was zum Teufel mit
mir los ist. Betrunken bin ich ganz bestimmt nicht.
Sie macht eine Drehung von mir weg und wieder zurück, unter meinem
Arm hindurch, sodass sie sich mit dem Rücken an mich lehnt. Mein Unterarm liegt
auf ihrem Schlüsselbein, unsere Haut berührt sich. Unter meinem Arm hebt und
senkt sich ihr Busen. Ihr Scheitel berührt mein Kinn, ihr Haar duftet, und ihr
Körper ist von der Anstrengung erhitzt. Und dann löst sie sich mit einer
Drehung von mir und entfaltet sich wie eine Blume.
Als die Musik verklingt, pfeifen die Tänzer und klatschen mit hoch
erhobenen Händen Beifall, und niemand ist so begeistert dabei wie Marlena. Ich
blicke hinüber zu unserer Nische. August sitzt mit verschränkten Armen da und
kocht vor Wut. Erschrocken trete ich einen Schritt von Marlena weg.
»Razzia!«
Einen Augenblick lang sind alle wie erstarrt, dann ertönt ein
zweiter Schrei.
» RAZZIA! Alle raus hier!«
Ich werde im Gewimmel mitgerissen. Die Menschen schreien und drängen
fieberhaft zum Ausgang. Marlena blickt sich ein Stück weiter vorne im Gebrodel
der panischen Gesichter nach mir um.
»Jacob!«, ruft sie. »Jacob!«
Ich kämpfe mich durch die Leiber auf sie zu.
In diesem Meer aus Menschen ergreife ich eine Hand und sehe an
Marlenas Gesichtsausdruck, dass sie ihr gehört. Ich halte sie fest umklammert
und suche in der Menge nach August, doch ich sehe nur Fremde.
An der Tür werden Marlena und ich auseinandergerissen. Im nächsten
Moment schubst mich jemand in eine Gasse. Die Leute klettern kreischend in ihre
Autos. Motoren werden angelassen, Hupen ertönen, und Reifen quietschen.
»Na los! Na los! Macht, dass ihr wegkommt!«
»Bewegt euch!«
Marlena taucht aus dem Nichts auf und schnappt sich meine Hand.
Unter Sirenengeheul und Pfeifentrillern flüchten wir. Als dröhnend Schüsse
fallen, packe ich Marlena und gehe mit ihr in einer schmaleren Gasse in
Deckung.
»Warte mal«, keucht sie, bleibt stehen und zieht, auf einem Fuß hüpfend,
einen Schuh aus. Während sie den anderen abstreift, hält sie sich an meinem Arm
fest. »Fertig«, sagt sie, beide Schuhe in der Hand.
Wir laufen kreuz und quer durch Nebenstraßen und kleine Gassen, bis
wir weder Sirenen noch Menschen oder quietschende Reifen hören. Schließlich
bleiben wir nach Luft ringend unter einer eisernen Feuertreppe stehen.
»Großer Gott«, sagt Marlena. »Großer Gott, das war knapp. Ich frage
mich, ob August es rausgeschafft hat.«
»Das hoffe ich doch sehr«, keuche ich. Ich beuge mich vor und stütze
die Hände auf die Oberschenkel.
Wenig später sehe ich zu Marlena auf. Sie sieht mich unverwandt an,
atmet durch den Mund und bricht in hysterisches Lachen aus.
»Was ist?«, frage ich.
»Ach, nichts. Gar nichts.« Sie lacht weiter, scheint den Tränen aber
gefährlich nah.
»Was ist los?«, hake ich nach.
»Ach«, sagt sie, schnieft und hält sich einen Finger ans Auge. »Das
Leben ist nur ganz schön verrückt, das ist alles. Hast du ein Taschentuch?«
Ich klopfe meine Taschen ab und finde eines. Sie wischt sich damit
über die Stirn und tupft ihr Gesicht ab. »Ich sehe schrecklich aus. Sieh dir
nur mal meine Strümpfe an!«, sagt sie schrill und zeigt auf ihre bloßen Füße.
Ihre Zehen lugen durch
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