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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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erledigt.«
    »Was meinst du mit erledigt?«
    »Gelähmt. Das kann innerhalb von zwei Wochen, nachdem man den Dreck
getrunken hat, jederzeit einsetzen.«
    Ich bin entsetzt. »Woher zum Teufel weißt du das?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Stand in der Zeitung. Sie haben gerade
erst rausbekommen, was es ist, aber es hat viele getroffen. Vielleicht
Zehntausende. Vor allem im Süden. Da sind wir auf dem Weg nach Kanada
durchgekommen. Vielleicht hat er sich den Jake dort geholt.«
    Vor der nächsten Frage zögere ich. »Ist es heilbar?«
    »Nein.«
    »Kann man gar nichts tun?«
    »Wie gesagt, er ist erledigt. Aber wenn du dein Geld zum Fenster
rauswerfen und das von einem Arzt hören willst, dann bitte.«
    Vor meinen Augen explodiert ein schwarz-weißes Feuerwerk, das in
einem schillernden Wechselspiel alles andere ausblendet. Ich plumpse auf meine
Schlafmatte.
    »He, geht es dir gut?«, fragt Walter. »Holla, Freundchen. Du siehst
ganz schön blass aus. Du willst doch nicht kotzen, oder?«
    »Nein«, antworte ich. Mein Herz hämmert. Blut rauscht durch meine
Ohren. Gerade ist mir die kleine, brackige Flasche wieder eingefallen, die
Camel mir an meinem ersten Tag bei der Show angeboten hat. »Mir geht’s gut.
Gott sei Dank.«
    Am nächsten Tag stellen Walter und ich uns wie alle anderen
direkt nach dem Frühstück vor dem roten Kassenwagen an. Um Punkt neun winkt der
Mann in dem Wagen den Ersten in der Reihe zu sich, einen Racklo. Wenig später
spuckt der Mann auf den Boden und geht fluchend weg. Auch der nächste, ein
weiterer Racklo, zieht mit einem Wutanfall von dannen.
    Die Leute in der Schlange flüstern hinter vorgehaltener Hand
miteinander.
    »Oh-oh«, macht Walter.
    »Was ist los?«
    »Onkel Al ist offenbar wieder ausgesprochen zurückhaltend.«
    »Wie meinst du das?«
    »Die meisten Shows halten einen Teil des Lohns bis zum Saisonende
zurück. Aber wenn Onkel Al das Geld ausgeht, behält er alles ein.«
    »Verdammt!«, fluche ich, als ein dritter Mann davonstürmt. Zwei
weitere Arbeiter verlassen die Schlange mit grimmigen Gesichtern, zwischen
ihren Lippen klemmen selbstgedrehte Zigaretten. »Warum stehen wir dann noch
hier?«
    »Das betrifft nur die Arbeiter«, sagt Walter. »Artisten und Chefs
werden immer bezahlt.«
    »Ich bin aber weder noch.«
    Walter betrachtet mich einen Moment lang. »Stimmt. Ich weiß auch
nicht genau, was zum Henker du bist, aber keiner, der mit dem Stallmeister an
einem Tisch sitzt, gehört zu den Arbeitern. So viel steht fest.«
    »Und, passiert das öfter?«
    »Ja«, sagt Walter. Gelangweilt scharrt er mit dem Fuß über den
Boden.
    »Gleicht er ihnen das irgendwann aus?«
    »Ich glaube nicht, dass jemand das mal ausprobiert hat. Es heißt,
wenn er dir mehr als vier Wochen Lohn schuldet, solltest du am nächsten Zahltag
lieber nicht mehr auftauchen.«
    »Warum?«, frage ich. Ein weiterer verdreckter Mann stapft wild
fluchend davon, und drei Arbeiter vor uns verlassen die Schlange. Sie kehren
mit hängenden Schultern zum Zug zurück.
    »Im Grunde, weil Onkel Al dich nicht als finanzielle Belastung sehen
sollte. Denn wenn er das tut, verschwindest du eines Nachts.«
    »Was? Man muss bei Rot aussteigen?«
    »Ganz genau.«
    »Ist das nicht etwas übertrieben? Ich meine, warum lässt er sie
nicht einfach zurück?«
    »Weil er ihnen Geld schuldet. Wie würde das denn aussehen?«
    Ich stehe hinter Lottie als Zweiter in der Schlange. Ihre sorgfältig
arrangierten blonden Locken glänzen in der Sonne. Der Mann im Fenster des roten
Wagens winkt sie zu sich. Sie unterhalten sich freundlich, während er einige
Geldscheine von einem Stapel zieht. Nachdem er sie ihr gegeben hat, leckt sie
ihren Zeigefinger an und zählt sie. Dann rollt sie das Geld zusammen und stopft
es sich in den Ausschnitt.
    »Nächster!«
    Ich trete vor.
    »Name?«, fragt der Mann, ohne aufzusehen. Er ist klein, beinahe kahl
mit einem dünnen Haarkranz und trägt eine Brille mit einem Drahtgestell. Sein
Blick klebt an dem Rechnungsbuch vor seiner Nase.
    »Jacob Jankowski«, antworte ich und spähe an ihm vorbei. Das Innere
des Wagens ist mit geschnitzter Holztäfelung und einer bemalten Decke ausgestattet.
Weiter hinten stehen ein Schreibtisch und ein Safe, an einer Wand ist ein
Waschbecken montiert. Ihm gegenüber hängt eine Karte der USA , die mit bunten Nadeln gespickt ist. Das dürfte unsere Route sein.
    Der Mann fährt mit dem Finger ein Stück weit die Seite hinunter und
dann nach rechts bis zur letzten Spalte.

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