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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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sei, als Wasser über eine Strecke von 3900 Kilometern durch Röhren und Kanäle zu führen, was nur der Bauwirtschaft nütze. Der Sprecher von Aznars Volkspartei (PP) hingegen warf der neuen Regierung vor, die Träume ganz Südspaniens zu zerstören. Auch die Regierungsvertreter aus dem Süden protestierten gegen die Annullierung des Plans, indem sie melodramatisch eine Flasche Ebrowasser in den völlig ausgetrockneten Vinalopó gossen.
    Der Wasserexperte, mit dem ich an einem der alten Bewässerungskanäle in der Nähe von Saragossa entlanggehe, kennt sich in der Region gut aus. Er ist sich sicher: »Der Ebroplan wird niemals verwirklicht werden. Damit müssen sich die Menschen im Süden einfach abfinden.« Hier gehe es nicht nur um Wasser, sondern darum, welche Gesellschaft man eigentlich haben wolle, fügt er hinzu. »Wünschen wir uns wirklich eine zementierte und mit Golfplätzen überzogene Mittelmeerküste von Frankreich bis Gibraltar?«
    Ja, anscheinend wollen es einige so haben, denke ich. Immerhin deuten die zahlreichen Korruptionsskandale im Zusammenhang mit der Baubranche darauf hin, dass viele diese Idee für finanziell einträglich halten. Solange sich daran nichts ändert, werden die Konflikte um das Wasser in Spanien immer größere Ausmaße annehmen. Die Politiker der wasserarmen Gegenden, in denen Tourismus und Landwirtschaft dominieren, werden nicht nach radikalen Umstrukturierungen in ihren eigenen Regionen verlangen, sondern stattdessen nach einer starken Zentralmacht rufen, die die wasserreichen Landesteile dazu zwingt, Wasser abzugeben. Die wasserreichen Regionen im Norden indes werden noch mehr Autonomievon Madrid einfordern, um nicht zuletzt die Herrschaft über das Wasser zu behalten, das sie als das ihre begreifen und das durch den Klimawandel in der Zukunft womöglich noch wertvoller wird.
    »Das Ganze begann vor ungefähr zehn Jahren, nach einer langen Trockenperiode: Die Gläubigen beteten für Regen, und es regnete. Seitdem wird das Fest gefeiert.« Ich befinde mich in einer überfüllten Wohnung in Vilagarcía de Arousa an der spanischen Nordwestküste, um an dem hier jährlich stattfindenden Wasserfest teilzunehmen. Es beginnt am 16. August, also im wärmsten Monat des Jahres. Der Lärmpegel hat das Maß des Erträglichen schon etwas überschritten, doch durch all die Geräusche hindurch höre ich die feste Stimme der Wohnungsbesitzerin, die mich hereingelassen hat. Gut gelaunt und ausgestattet mit gefüllten Wassereimern und geladenen Wasserpistolen strömen die Besucher auf den Balkon hinaus, in der festen Absicht, irgendjemanden da unten auf der Straße nass zu machen. Ich weiß zwar, wieso das Fest gefeiert wird, deshalb bin ich schließlich hierher gekommen, doch nun reißt mich der Enthusiasmus der jungen Frau, die den Ursprung des Festes erläutert, mit. Nicht nur mich, sondern auch alle anderen um mich herum.
    An diesem Tag durch die Stadt zu laufen, ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Überall schütten die Menschen Wasser von Hausdächern und Balkonen. Mitten auf dem Marktplatz steht die Feuerwehr und bespritzt alle, die Lust darauf haben. Die Stadt feiert ihren Wasserreichtum, denn obwohl auch hier der Regen manchmal ausbleiben kann, sind die Bewohner Nordspaniens doch die Wasserfürsten des Landes. Bezeichnenderweise regnet es an diesem 16. August, und es ist kalt.
    Dieses Wasserfest versinnbildlicht allerdings etwas mehr als nur die ungerechte Verteilung des Wassers im Land. Der Konflikt zwischen dem trockenen Süden und dem wasserreichen Norden um die Verteilung des Wassers wird hier mit Wertekonflikten, Parteigegensätzen und strukturellen Streitfragen zwischen den Regionen und der Hauptstadt Madrid verknüpft.
    Valencia an der Ostküste Spaniens ist eine Stadt, an der Touristen auf dem Weg von Barcelona an die Südküste gewöhnlich vorbeifahren. Für eine »Wasserreise« ist es allerdings ein absolutes Muss, denn hier befindet sich der älteste Gerichtshof Europas: das sogenannte Wassergericht, dessen lange Geschichte davon zeugt, dass in Spanien Konflikte um dieses Element kein neues Phänomen sind.
    Das Wassergericht liegt inmitten der Altstadt. Am frühen Morgen, wenn der Verkehr die Atmosphäre noch nicht vergiftet hat, kann man an ockerfarbenen Häusern vorbei durch die engen Straßen laufen und Geräusche hören, die man wohl nur in Städten mit offenen Fenstern und davor angebrachten Fensterläden wahrnimmt: eine Frau, die ihren Mann ausschimpft; zankende

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