Wasser
hingegen stromabwärts angesiedelt, werden politisch schwache »Wasserturmländer« womöglich an ihrer Entwicklung gehindert und in Abhängigkeit gehalten, was neue Konflikte heraufbeschwören dürfte.
Wüste, Wasserfest und Wassergericht in Spanien
»Von Jahr zu Jahr wird es trockener. Wenn uns niemand hilft, werden wir noch zu einer Wüste. Einer kompletten Wüste. Und wie Sie wissen, dauern politische Entscheidungsprozesse oft Jahre, und niemand findet eine Lösung.« Das leichte Stottern des englisch sprechenden Mannes verstärkt den Eindruck der Verzweiflung. Er steht, korrekt gekleidet mit weißem Hemd und schwarzer Hose, vor der Hoteltür und drückt die Frustration einer ganzen Region aus. Die Wassersituation in einigen Gegenden Südspaniens wird immer schlimmer. Inzwischen verläuft eine regelrechte Trennlinie zwischen den wasserarmen und den wasserreichen Landschaften. Als die Mauren vor über tausend Jahren in das Land vordrangen, nannten sie es
Iberia
, das Land der Flüsse. Im Vergleich zu den trockenen Regionen des Mittleren Ostens und Nordafrikas war Spanien ein wahres Wasser-Dorado. Das Land wird von circa 1800 Flüssen durchzogen, von denen die meisten jedoch eher klein und kurz sind und einige in den Sommermonaten völlig austrocknen. Der gesamte Modernisierungsprozess Spaniens war daher mit einer umfassenden Kontrolle der Wasserressourcen verbunden: Kein anderes Land hat im Verhältnis zu seiner Fläche so viele Staudämme errichtet wie Spanien – über tausend große Dammanlagen, die die ungleiche Verteilung der Wasservorkommen ausgleichen sollen. 33 Konservative Politiker und die Regionen im Süden würden diese Hydrostrategie gern fortführen und gehen davon aus, dass ein solches Wassermanagement angesichts der Unsicherheit über die Zukunft des Klimas noch wichtiger wird. Sozialdemokratische Politiker und die Regionen im Norden hingegen möchten lieber eine neue Wasserpolitik gestalten, die auf Einsparungen, Wiederverwertung sowie einer den Möglichkeiten der vorhandenen Wasserlandschaft angepassten Ökonomie basiert. Spanien ist ein gutes Beispiel dafür, wie Distribution und Verbrauch von Wasser immer stärker zu einem zentralen innenpolitischen Thema werden kann.
Für den modernen Massentourismus und sonnenhungrige Nordeuropäer sind die südlichen Regionen Spaniens ein wahres Paradies – gerade weil es dort so wenig regnet. Das sonnenreiche Südspanien, das noch vor zwanzig Jahren zu einer der ärmsten Regionen des Landes zählte, hat einen geradezu märchenhaften wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Der massive Ausbau mit Hotelanlagen, Golfplätzen und Swimmingpools erfordert indes mehr Wasser, als die Region zur Verfügung hat. Gleichzeitig expandiert die von künstlicher Bewässerung abhängige Landwirtschaft in dieser Gegend sehr rasch – und das, obwohl Gesetze verabschiedet wurden, die einen weiteren Ausbau davon untersagen. Da allerdings der Export von Gemüse, insbesondere Tomaten, in andere europäische Länder äußerst lukrativ ist, wird weggeschaut und nimmt diese Expansion weiter zu. Die Bauern wissen sich zu helfen: Nach Schätzungen soll es zwischen 0,5 und 1,5 Millionen illegale Bohrlöcher geben, die zur Grundwassergewinnung ausgehoben wurden. 34 In Almería, auch »Meer aus Plastik« genannt, liegen die Treibhäuser in Reih und Glied. Kilometer um Kilometer, geradezu endlos, erstrecken sich schwarze Rohre, die Wasser zu den Pflanzungen leiten, durch die Landschaft. Glaubt man der örtlichen Presse, haben die Behörden in Almería darüber hinaus – in Erwartung erhöhter Wasserzufuhr aus dem Norden – Baugenehmigungen für 100 000 Ferienhäuser und zehn Golfplätze erteilt.
Etwas außerhalb von Alicante versuchen wir, den Fluss zu finden, der – zumindest laut Landkarte – von den Bergen durch die Stadt ins Meer strömt. An der Stadtgrenze sehen wir schließlich das Flussbett – allerdings ohne einen Tropfen Wasser. Und im Vinalopó, einem weiteren Fluss, der die spanische Landwirtschaft und die wachsende Tourismusbranche in den kommenden Jahrzehnten mit Wasser versorgen soll, spielen Kinder Fußball und lassen sich mit mir auf ein Fahrradwettrennen ein, denn hier ist alles trocken, vollständig trocken.
Der Kampf um das Wasser nimmt mitunter erstaunliche Züge an: Zeitungen berichten, dass die Landesregierung von Andalusienein ganz neues Satellitensystem einsetzen wolle, um die Einhaltung der Beschränkungen des Wasserverbrauchs entlang der Costa del Sol zu
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