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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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fruchtbar, was jedoch andererseits dazu führt, dass der Meeresgrund vor der Küste immer seichter und so auch gefährlicher wird. Die Deltaregion wird zusehends verwundbarer und erinnert immer weniger daran, dass hier einmal tropischer Wald wuchs, der 1894/95 die Kulissen für Rudyard Kiplings »Dschungelbuch« abgab. Die Unsicherheit über die Höhe des künftigen Meeresspiegels wirft generelle Fragen auf: Wo sollen die Menschen leben? Und wer möchte in ein Land investieren, das nach Ansicht Vieler zu Teilen bald schon verschwunden sein wird?
    Als ich an der Padma stehe, blicke ich auf überfüllte Fähren, die zwischen ihren beiden Ufern hin und her fahren. Von überall, wie es scheint, strömen Kinder und Jugendliche herbei, um sich im Wasser abzukühlen. Die Häuser sind auf Pfählen erbaut, so knapp über der Wasseroberfläche, dass man sich gut vorstellen kann, wie ganze Gesellschaften und Zivilisationen durch Veränderungen in der Wasserlandschaft untergingen. Und die historische Erfahrung besagt: Überraschungen sind unvermeidlich.

Himalaja und der »Krieg im Himmel«
    Kurz bevor ich in das Hunzatal im Norden Pakistans, an der Grenze zu China, reise, stoße ich auf eine unscheinbare kleine Broschüre aus der Zeit zwischen den Weltkriegen: »Das Geheimnis der Hunza oder wie die Hunza das sagenhafte Alter von 145 Jahren erreichen«. Ich nehme das Heftchen mit, zur Erinnerung und als warnendes Zeichen davor, nur das zu sehen, was man bereits zu kennen meint. Das Land der Hunzukuc wird in dieser Schrift als Paradies auf Erden dargestellt – eine Abwandlung des sagenumwobenen Shangri-La. Es heißt darin, dass die Hunzukuc das »glücklichste Volk der Erde« seien, ein Volk, das »seine Gedanken vollständig beherrscht« und in vollkommener Harmonie mit der Natur lebt. Die Broschüre ist ein gutes Beispiel für die orientalistische Reiseliteratur jener Zeit. Oft von nahezu metaphysischem oder religiösem Charakter, ermöglichte sie es den jeweiligen Autoren, die Flucht vor dem eigenen Selbst und der Gesellschaft, in der sie lebten, als poetisch-romantisches Abenteuer zu stilisieren.
    Dazu bereiste man Regionen, in denen der Einfluss des Westens noch nicht zum Tragen gekommen war. Die hinter den Berggipfeln des Himalaja isoliert lebenden Hunzukuc waren somit ein geeignetes »Objekt« für europäische Fantasien von einem »wahren Leben« und verkörperten das Gegenteil zur Unnatürlichkeit des industrialisierten Westens. Die Europäer projizierten ihre Sehnsüchte auf ein weit entferntes Land, vergleichbar mit den Hippies der 1960er Jahre, die Erlösung und Geborgenheit im Indien der Maharischis und Bhagwans suchten.
    In Islamabad beladen wir unseren Geländewagen mit Proviant und fahren in Richtung Norden über den Karakorum-Highway, der in den 1970er Jahren von den Chinesen gebaut wurde und die Region erst zugänglich machte. Vorbei an steilen Felswänden und den braunen, schäumenden Wassermassen des Indus bewegt sich der Wagen mühsam voran. Wir passieren kleine Dörfer, in denenFrauen niemals das Haus verlassen und das Straßenbild von bärtigen Männern dominiert wird, die zum Markt gehen oder, an einem Tisch sitzend, Tee trinken. In Chilas stoßen wir auf das gewaltige Bergmassiv des Nanga Parbat, der sich wie eine Wand vom Flussufer über 7000 Meter in die Höhe streckt. Nach 20 Stunden Autofahrt erreichen wir schließlich Karimabad, die »Hauptstadt« des Hunzatals. Nach einer letzten Etappe über gewundene Straßen öffnet sich plötzlich eine grüne, von gezackten Berggipfeln umgebene Oase. Inmitten des Tals entdecken wir den Fluss Hunza, der sich grau und trotzig immer tiefer in den porösen Erdboden gräbt, während der Himalaja beständig weiter in die Höhe zu wachsen scheint.
    Karimabad ist ein ausgesprochen schönes kleines Städtchen, in dem auch Frauen (mit und ohne Schleier) zum Straßenbild gehören. Ich nutze die Gelegenheit und kaufe ein kaltes Bier in diesem Teil Pakistans, der von den relativ liberalen Ismailiten dominiert wird. Im Westen erlangten die Ismailiten wohl hauptsächlich dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit, dass der inzwischen verstorbene religiöse Führer Aly Khan im Jahre 1949 die Hollywood-Schauspielerin Rita Hayworth heiratete und sein Nachfolger zu den reichsten Männern der Welt zählt. Die Oase, die die Grundlage für eine beinahe autarke Landwirtschaft schuf, ist allerdings kein Werk der Natur oder das Resultat einer passiven, vermeintlich mit der Natur im Einklang

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