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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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über dem Wasserlauf des Indus, und ist das bekannteste Bauwerk, das von der Indus-kultur übriggeblieben ist. Diese entstand vor circa 5500 Jahren und erstreckte sich in ihrer Glanzzeit von Badachschan im nördlichenAfghanistan über die weiter südlich gelegene Küste des Arabischen Meeres bis an die Westküste Indiens. Am unteren Teil des Indus siedelten sich immer wieder Nomaden aus dem Westen an, die in der Nähe zum Fluss offenbar einen Vorteil sahen. Wie sich aus diesen Ortschaften jedoch eine große Zivilisation entwickelte, ist bis heute ungeklärt.
    Nachdem Archäologen im Jahr 1922 Mohenjo-Daro entdeckt hatten, musste ein Teil der Frühgeschichte des Menschen umgeschrieben werden. Als man sich schließlich ein genaueres Bild vom Entwicklungsniveau der Induszivilisation machen konnte, zeigte sich überraschenderweise, dass die Kulturen im Niltal und in Mesopotamien über ein Äquivalent auf dem indischen Subkontinent verfügten. In Mohenjo-Daro bauten die Menschen Weizen, Gerste, Erdnüsse, Melonen, Sesam und Baumwolle an. Ein Stück des ältesten Baumwollstoffs der Welt wurde hier gefunden, gefärbt mit Pfanzenfarbe. Die Induszivilisation betrieb darüber hinaus regen Handel. Karawanen durchquerten die Wüste, und Schiffe befuhren den Indus. Es gab Hunde, Katzen und Rinder, womöglich auch Schweine, Pferde, Esel und Kamele – vielleicht wurden sogar Elefanten gezähmt. Vermutlich lebten um die 40 000 Menschen in der Stadt. Während die Ägypter Sklaven zum Bau der Pyramiden einsetzten und die Handwerker zwischen Euphrat und Tigris großangelegte Tempel zu Ehren der Herrscher konstruierten, war die Induszivilisation von einem eher bescheidenen Baustil geprägt; auch der Bevölkerung war es möglich, anständige Häuser zu besitzen.
    Niemand weiß genau, welche Funktion das »Große Bad« hatte. Vielleicht diente es Reinigungsritualen oder war der Ort für eine ähnliche religiöse Verehrung des Wassers, die später im Hinduismus so wichtig wurde. Mehr oder weniger alle Häuser verfügten über ein Bad und eine Abwasserleitung. Das Frischwasser stammte aus hunderten von Brunnen. Die Überreste der faszinierenden Kanalisation finden sich heute noch als Abwassergräben, die mit besonders gefertigten Mauersteinen abgedeckt wurden, am Rande der Straßen – eine sinnvolle Einrichtung in einem Land mit heißem,feuchtem Klima, die darüber hinaus vom hohen Organisationsniveau der Induszivilisation zeugt und effektiver war als die Abfallbeseitigung in den heutigen Dörfern, ungefähr 5000 Jahre später.
    Vor circa 3700 Jahren verschwand die Induszivilisation, nachdem sie immer wieder von fremden Soldaten, darunter auch indogermanischen Einwanderern, angegriffen worden war. Einige sind der Ansicht, dass die Gesellschaft durch wiederholte Flutkatastrophen zugrunde ging, andere hingegen glauben, dass der Indus durch massive Erdverschiebungen und Schlammablagerungen südlich von Mohenjo-Daro aufgestaut wurde. Wieder andere sehen die Ursache für den Niedergang der Induszivilisation in der Zerstörung der Anbauflächen durch künstliche Bewässerung, ähnlich wie vor 4000 Jahren in Mesopotamien oder heute in der Indusebene. Das Grundwasser stieg, der Salzgehalt im Erdreich erhöhte sich aufgrund von Verdunstung, es gab nicht genügend Wasser, um das Salz auszuspülen und so weiter.
    Heute wird Mohenjo-Daro, die »Stadt der Toten«, erneut vom Wasser bedroht. Im Jahr 1922, als die Ausgrabungen begannen, lag der Grundwasserspiegel 7,5 Meter unter der Erde. Mittlerweile beträgt der Abstand zur Oberfläche stellenweise weniger als 1,5 Meter, und nicht weit entfernt vom »Großen Bad« findet man Stellen, die mit Salz bedeckt sind. Um die Ruinenstadt verteilt gibt es unzählige Pumpen, die Tag und Nacht arbeiten – allerdings nicht, um die Menschen mit Trinkwasser zu versorgen, sondern um die alten Bauwerke zu retten, die sich langsam auflösen, weil die vom aufsteigenden Wasser gebildeten Salzkristalle die Lehmziegel angreifen. Die internationale Gemeinschaft und die pakistanische Regierung kämpfen für den Erhalt der Ruinenstadt, doch das steigende Grundwasser ist und bleibt ein tückischer Feind.
    Für ein besseres Verständnis der aktuellen geopolitischen Situation Pakistans ist es sinnvoll, die flache, heiße Indusebene zu verlassen und zurück in den Norden des Landes zu fahren. Vielleicht wie nirgendwo sonst erheben sich hier die Berge in majestätischer Schönheit; wie riesige Monolithen aus Granit steigen sie

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