Wasser
Woge aus Wasser, Steinen und Erde, die sie innerhalb von Sekunden begraben hätte.
Maskat ist eine geschäftige Hafenstadt am Indischen Ozean, die mit ihren Palmengärten einen fast tropischen Eindruck macht. Die Menschen hier haben sich stets in Richtung Meer orientiert, zumal Oman früher Kolonien an der afrikanischen Ostküste hatte. Auf Sansibar, das zu Tansania gehört, gibt es noch heute Gruppierungen, die die alte, in den 1960er Jahren entstandene Tanganjika-Union verlassen und engere Verbindungen zum Sultanat Oman knüpfen möchten. Oman hatte bis 1947 auch Handelskolonien im Gebiet des heutigen Pakistan. Diese wurden jedoch parallel zum Abzug der britischen Kolonialmacht vom indischen Subkontinent aufgelöst.
Von Maskat fahren wir über das Hadschar-Gebirge, welches das Land topografisch teilt, nach Nizwa, der ehemaligen Hauptstadt und dem Zentrum des historischen Kerngebiets Omans. Im Gegensatz zu den östlich des Gebirges liegenden Städten, die von Seefahrt und Fischfang lebten, handelt es sich hier um eine Stadt im Landesinneren, die von Landwirtschaft und Handel zwischen der Küste und den umliegenden Regionen abhängig war. Es ist Anfang Mai, kurz vor Beginn der Sommerhitze. Oman gilt als eines der heißesten Länder der Welt, und bevor die Klimaanlagen aufkamen, konnten die Menschen nur ein kühlendes Bad nehmen, um die Hitze ertragen und des nachts schlafen zu können. Obwohl der jährliche Niederschlag nur bei ungefähr einhundert Millimetern liegt und die Hitze ihn zu großen Teilen verdunsten lässt, ist Oman das einzige Land auf der arabischen Seite des Golfs, in dem schon immer umfangreich Landwirtschaft betrieben wurde. Diese war und ist allerdings völlig von künstlicher Bewässerung abhängig.
Seit den 1970er Jahren hat Oman den Kurs einer moderaten Modernisierungspolitik eingeschlagen. Während frühere Sultane ihren Untertanen Radiohören und Fernsehen verboten und sämtliche Visa für Reisen in andere Länder eigenhändig unterschrieben,versuchte Sultan Qabus Ibn Said, nachdem er 1970 die Macht von seinem Vater übernommen hatte, das Land schrittweise zu modernisieren. Doch da Entwicklung einen steigenden Wasserverbrauch voraussetzt, Oman ein Land mit äußerst wenig Niederschlag ist und über so gut wie gar kein Oberflächenwasser verfügt, ist die Wasserknappheit immer drängender zu einem zentralen Entwicklungshemmnis geworden. In der unmittelbaren Umgebung von Maskat, an der Batina-Küste, hat die verstärkte Grundwassergewinnung zu einem Wachstum der Landwirtschaft geführt. 75 Prozent des Wasserbedarfs werden durch Grundwasser gedeckt. Einige zu Beginn des 20. Jahrhunderts angefertigte Zeichnungen und Bilder lassen erkennen, dass der Küstenstreifen, der heute wie eine fast endlose grüne Oase wirkt, einst nur aus Wüste bestand. Aber das Grundwasser sinkt immer schneller ab.
Im Landesinneren gibt es am Fuße des Hadschar-Gebirges einige Städte und Siedlungen, deren Gründung ohne ein revolutionär anmutendes Bewässerungssystem nicht möglich gewesen wäre. Vor mehreren tausend Jahren wurde hier ein unterirdisches Kanalsystem angelegt. Allerdings kommt das Wasser nicht aus Flüssen oder Seen, denn solche gibt es hier nicht. Das System basiert darauf, dass ungefähr neunzig Prozent des Niederschlags an den nackten, steilen Felswänden hinunterlaufen und im Boden versickern. Beschützt vor Sonneneinstrahlung und Verdunstung bilden sich so natürliche Grundwasserreservoire.
Die sogenannten Qanate – teilweise kilometerlange unterirdische Tunnel, die von den Wasserreservoiren in den Bergen bis zu den Feldern führen – sind so alt, dass heute niemand mehr mit Sicherheit sagen kann, wann genau sie gegraben wurden. Der Legende nach soll Salomo, König Davids Sohn, Oman auf einem fliegenden Teppich besucht haben. Dabei hätten seine Dschinnen in zehn Tagen 10 000 solcher Kanäle gebaut. Diese Wasserläufe, die auch in den trockensten Jahren nicht versiegen, werden deshalb nach Davids Sohn Daudis genannt. Heute kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die Qanate zu einer Zeit entstanden,als die Perser diesen Teil der arabischen Halbinsel kontrollierten. Ein paar der unterirdischen Kanäle waren demnach also schon vor 2500 Jahren in Gebrauch. Der als Falaj Daris (Dareios) bezeichnete Kanal, der Wasser nach Nizwa leitet, erhielt seinen Namen wahrscheinlich in Erinnerung an seinen Erbauer, einen Perser aus der Achämeniden-Dynastie, der von 550 bis 530 v. Chr. regierte.
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