Wassermanns Zorn (German Edition)
spritzte in hohem Bogen. Die Waffe fiel zu Boden. Nielsen verdrehte die Augen und schlug mit dem Gesicht voran lang hin.
Manuela Sperling stand mit schlammverkrustetem Gesicht und zerrissener Bluse wie eine Rachegöttin vor einem von Blitzen durchzuckten schwarzen Himmel. Sie holte noch einmal aus, um dem bewusstlos daliegenden Nielsen den finalen Schlag zu verpassen.
Doch plötzlich durchlief ein heftiges Zittern ihren schmalen Körper. Sie ließ das Kantholz fallen, sackte schwer auf die Knie und übergab sich.
Frank stieg über Nielsen hinweg und sah Blut aus der Wunde an dessen Hinterkopf in den Sand sickern.
Als er Manuela an der Schulter berührte, zuckte sie erschrocken zurück.
«Keine Angst … Ich bin’s, Frank Engler.»
Sie starrte ihn an. Ihr Haar klebte nass an ihrem Schädel und ließ sie dünn und verletzlich erscheinen. Ein Speichelfaden hing an ihrem Kinn.
«Wie …Wie …», brachte sie hervor, brach dann aber ab und wurde erneut von Krämpfen geschüttelt.
Frank half ihr und zog sie ein paar Meter von Nielsen und ihrem eigenen Erbrochenen fort. Im Windschatten der Hütte lehnte er sie mit dem Rücken gegen die Wand.
Sie beruhigte sich, das starke Zittern ließ nach, und schließlich deutete sie auf Nielsen.
«Kannst du … ihm Handschellen anlegen?»
Frank glaubte zwar nicht, dass Nielsen so schnell wieder auf die Beine kommen würde – aber er stand gehorsam auf und ging zu ihm hinüber. Bevor er sich näher herantraute, beobachtete er eine Weile Nielsens Brustkorb, um herauszufinden, ob der Mann noch atmete. Es sah nicht so aus, aber sicher war Frank sich nicht. Er holte die Handschellen, die er fallen gelassen hatte. Dann überwand er seine Angst und ließ sich neben dem bewusstlosen Polizisten nieder. Der warme metallische Geruch des Blutes stieg ihm in die Nase. Durch eine klaffende Wunde am Hinterkopf sah er den weißen Schädelknochen. Etwas stieg unaufhaltsam in Franks Innerem auf. Er wandte den Blick ab, konzentrierte sich darauf, Nielsens Arme auf den Rücken zu drehen und ihm die Handschellen anzulegen.
Dann nahm er die Waffe an sich und gab sie Manuela.
Sie ließ sie kraftlos zwischen ihre Beine fallen und sah ihn aus großen, ängstlichen Augen an.
«Danke», flüsterte sie.
Frank nickte.
«Wo ist der andere Mann?», fragte er.
Manuela deutete auf den Wald.
«Da hinüber … zum anderen Teil des Sees.»
Sie ließ ihren Kopf an die Hüttenwand sinken und atmete schwer. Ihr Gesicht war unter dem Schlamm ganz weiß geworden, der Brustkorb hob und senkte sich mühsam.
Frank legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. Ihre Lider flatterten, dann schlossen sie sich erschöpft.
«Stiffler … Wir müssen ihm nach … Hilf mir auf», sagte sie mit brüchiger Stimme.
Manuela versuchte, mit seiner Hilfe auf die Beine zu kommen, schaffte es auch, musste sich stehend aber erneut an die Hüttenwand lehnen. Mit zitternden Fingern zog sie ihr Handy aus der Jackentasche. Sie probierte es aus, aber da es nass geworden war, funktionierte es nicht mehr.
«Hast du eins dabei?», fragte sie.
Frank gab ihr seines.
Manuela wählte, hielt es sich ans Ohr, wählte erneut, sah aufs Display und schüttelte dann den Kopf.
«Der Akku ist leer.»
Sie gab ihm das Handy zurück.
«Was machen wir jetzt?», fragte Frank.
«Wir folgen Stiffler. Er kann nicht weit sein.»
Manuela sah erbärmlich aus, zitterte am ganzen Körper und konnte sich kaum auf den Beinen halten.
«Das schaffst du nicht», sagte Frank.
Manuela stieß sich von der Hüttenwand ab.
«Doch», entgegnete sie und blickte ihn entschlossen aus blutunterlaufenen Augen an. «Dieses Schwein entkommt mir nicht.»
39
Wild, ungestüm und rau war der See. Millionen schwere Tropfen stürzten in den Gorreg und wühlten die Wasseroberfläche auf. Der stark böige Wind trieb das kleine Ruderboot zum Steg zurück.
Eric sah es auf den Wellen tanzen wie eine Nussschale, konnte aber aus der Entfernung nicht erkennen, ob jemand darin saß. Die Sicht war durch den starken Regen zu schlecht. Vielleicht von der erhöhten Position des langen Stegs aus.
Er lief am Ufer entlang auf das Haus zu, der Regen klatschte ihm ins Gesicht. Immer wieder musste er sich über die Augen wischen. Er erreichte das Haus, blieb stehen und sah sich um. Natürlich konnte der Wassermann sich hier irgendwo verstecken, doch das glaubte Eric nicht. Wahrscheinlicher war, dass er im Wasser lauerte. Er überprüfte die Haustür: verschlossen. Ebenso die beiden
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