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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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alle Fahrer, die für ihn arbeiteten, einmal im Jahr ihre Kenntnisse in der Ersten Hilfe auffrischten. Frank war fit in diesen Dingen und wusste, was zu tun war.
    Er schlug ihre Jacke auseinander und riss die Bluse entzwei. Dann positionierte er seinen rechten Handballen in der Mitte des Brustkorbs auf das Brustbein, legte seine linke Hand darüber, verschränkte die Finger ineinander, kniete sich aufrecht hin, brachte seinen Oberkörper direkt über den Brustkorb der Frau, drückte seine Ellenbogen durch und begann zu pumpen.
    Um ihn herum öffnete die Hölle ihre Pforten, Regen fiel wie ein Wasserfall aus dem schwarzen Himmel und rauschte sogar lauter als der Donner, der in kurzen Abständen auf die Blitze folgte. Heftige Böen fuhren in die Wipfel der Kiefern, und die schlanken Stämme bogen sich beängstigend weit.
    Frank pumpte dreißigmal, dann legte er eine Hand unter Manuelas schmales Kinn, eine auf ihre Stirn, überstreckte ihren Kopf und beatmete sie zweimal durch den Mund. Ihre Lippen waren ganz weich und schmeckten nach Schlamm und Seewasser.
    Er richtete sich wieder auf und fuhr mit der Herzdruckmassage fort.
    Plötzlich musste er an seinen Großvater denken, den er nicht hatte retten können, dem er nicht einmal ansatzweise eine Hilfe gewesen war. Verzweiflung stieg in ihm auf. Das durfte, durfte, durfte nicht noch einmal passieren! Diese Frau musste leben! Frank zählte und pumpte, zählte und pumpte. Dann presste er abermals seinen Mund auf ihren, blies seinen Atem in ihren Körper, betete dabei, dass Gott ihm doch wenigstens dieses eine Mal im Leben helfen solle.
    Er legte seinen Kopf auf ihre Brust. Aber da war nichts. Kein Herzschlag.
    «Nein, nein, nein», schrie Frank in den tosenden Regen und begann abermals wild zu pressen.
    Bis zwanzig kam er, dann spuckte Manuela plötzlich Wasser aus und hustete. Frank stieß einen Freudenschrei aus und drehte sie schnell auf die Seite, damit sie das Wasser loswerden konnte.
    «Ja, so ist’s gut, raus damit», rief er und hörte sich selbst lachen.
    Er stützte sie und hielt ihr das Haar zurück. In diesem kuriosen Moment fühlte er sich absolut glücklich. So glücklich war er nicht mehr gewesen, seit sein Großvater damals im Winter zu seinen Füßen gestorben war. Er weinte und vergaß alles um sich herum. Den Regen, den Sturm, die Blitze, was spielte das für eine Rolle? Er hatte ein Menschenleben gerettet!
    Da fiel ihm der Polizist ein. Er erschrak, riss den Kopf hoch und drehte sich um.
    Nielsen stand bereits aufrecht und kam über den Strand auf ihn zugewankt. In der rechten Hand hielt er eine Waffe, mit der linken wischte er sich über die Augen.
    Frank sprang auf, sah sich suchend um. Er brauchte etwas, um sich zu verteidigen.
    Neben der Hütte entdeckte er ein abgebrochenes Kantholz. Es war gut einen Meter lang und stark genug, um einen Schädel einzuschlagen.
    Frank hastete dorthin und hob es auf.
    Als er sich aufrichtete, war Nielsen schon bedrohlich nah. Er taumelte, schüttelte den Kopf, riss die Waffe hoch und schrie: «Weg damit!»
    Bevor Frank reagieren konnte, gab Nielsen einen Schuss ab. Etwas zischte heiß an seinem Kopf vorbei und schlug etwa drei Meter entfernt in die Hüttenwand ein.
    Die Mündung der Waffe glotzte ihn an.
    «Weg damit!», wiederholte Nielsen ruhiger.
    Diesmal gehorchte Frank. Er warf das Kantholz fort, hob abwehrend die Hände und ging ein paar Schritte zurück.
    «Nicht schießen», sagte er.
    Nielsen kam weiter auf ihn zu und fummelte an einer kleinen schwarzen Tasche herum, die an seinem Gürtel hing. Die Tränen liefen wie Sturzbäche aus seinen stark geröteten Augen. Der Mann konnte kaum etwas sehen, aber auch durch einen Zufallstreffer konnte man sterben. Aus den Augenwinkeln sah Frank, wie Manuela sich auf die Knie kämpfte und zu dem Kantholz hinüberkroch, das er gerade weggeworfen hatte. Frank tat noch einen Schritt rückwärts.
    «Bleib stehen», rief Nielsen.
    Frank machte noch zwei Schritte und gehorchte dann.
    Der Bulle warf ihm ein paar Handschellen zu. Sie landeten im nassen Sand.
    «Leg sie an, sofort, sonst knall ich dich ab!»
    Frank zögerte. Manuela hatte das Kantholz in den Händen und kam schwankend auf die Beine. Zwischen ihr und Nielsen lagen drei bis vier Meter. Er musste weggucken, um den Bullen nicht zu warnen.
    «Wie du willst», sagte er und bückte sich, um die Handschellen aufzuheben.
    Als er wieder hochkam, flog das Kantholz von links heran und traf Nielsen am Hinterkopf. Blut

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