Wassermanns Zorn (German Edition)
sich vor zwei Jahren von mir scheiden lassen, und es war keine freundschaftliche Trennung, das könnt ihr mir glauben. Natürlich bin ich schockiert. Als ich ihr Gesicht da draußen auf dem Wasser erkannte, war ich wie gelähmt, ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen … Ich habe so etwas noch nie erlebt, und ich möchte mich bei allen Anwesenden, vor allem bei Frau Sperling, entschuldigen.»
«Das ist nicht nötig», sagte sie sofort. «Wenn ich gewusst hätte …»
Eric hob die Hand, um sie aufzuhalten. Ihr blödes Gelaber konnte er jetzt wirklich nicht ertragen.
«Doch, es ist nötig. Wir sind alle Profis, und als solcher hätte ich mich unter Kontrolle haben müssen.»
Habermann, der neben Erics Stuhl an der Wand stand, legte ihm eine Hand auf die Schulter.
«Jetzt hör aber mal auf», sagte er. «Auch wenn ihr schon lange geschieden seid, sie war einmal deine Frau und stand dir nahe. Jeder hier versteht deine Reaktion.»
«Wirklich?», fragte Eric wie aus der Pistole geschossen.
Er sah einen nach dem anderen an und verweilte am Ende bei der Sperling. Sie wich seinem Blick nicht aus.
Schließlich zog er seine Waffe aus dem Achselholster und legte sie vor sich auf den Schreibtisch, mit dem Lauf zur Wand.
«Wer auch immer das getan hat, er hat es zu etwas Persönlichem gemacht», sagte er leise. «Er hätte Kathi nicht töten dürfen … und Annabell auch nicht. Er hätte zu mir kommen müssen, dann hätten wir es Auge in Auge ausgetragen, aber dafür sind solche Typen ja zu feige. Also werde ich jetzt eben zu ihm kommen.»
Seine Worte hingen unheilschwanger im Raum.
«Weißt du denn wirklich nicht, wer dahinterstecken könnte?», fragte Habermann.
Eric schüttelte den Kopf.
«Aber dieser Täter muss dich doch sehr genau kennen. Woher sollte er sonst von deiner Frau wissen? Der Kontakt zu dem Mann muss also aus der Zeit vor deiner Scheidung stammen.»
«Nicht unbedingt», sagte Eric. «Wenn er sich genug Zeit genommen hat, und danach sieht es ja aus, kann er herausgefunden haben, dass ich verheiratet war.»
«Der Täter tötet Frauen, die Ihnen nahestehen oder -standen», sagte die Sperling nachdenklich. «Könnte es nicht sein, dass Sie nicht zu ihm selbst, sondern zu einem Angehörigen Kontakt hatten? Vielleicht haben Sie jemanden verletzt oder getötet oder hinter Gitter gebracht, dem der Täter nahestand.»
«Richtig», sprang Nielsen ihr zur Seite. «Das hört sich logisch an und würde erklären, warum dir niemand einfällt, der in Frage käme.»
«Ich habe im Dienst nie jemanden getötet», sagte Eric.
«Und privat?», fragte die Sperling.
Erics Blick ruckte zu ihr hinüber. Er war erschrocken. Hoffentlich bemerkte sie es nicht.
«Ich meine, bei einem Autounfall oder so», präzisierte sie ihre Frage.
«Nein, auch nicht.»
«Auf jeden Fall müssen wir den Kreis der in Frage kommenden Personen eingrenzen, sonst kommen wir nicht weiter. Im Moment sieht es ja so aus, als wäre der Täter uns immer einen Schritt voraus.»
«Ich frage mich, ob das geplant war», sagte Habermann.
«Was?», fragte Eric.
«Die Sache am See. Hat er es so getimt, dass ihr den Tod deiner Exfrau mit ansehen musstet? Wenn ja, dann macht mir das wirklich große Sorgen.»
Eric schüttelte den Kopf.
«Nein, das glaube ich nicht. Er konnte gar nicht wissen, wann wir dort auftauchen würden und ob überhaupt.»
«Genau das meine ich», sagte Habermann. «Ich habe fast den Eindruck, er bekommt seine Informationen direkt aus dem Präsidium.»
Daraufhin schwiegen alle. Dieser Gedanke war ungeheuerlich und musste erst mal sacken.
«Verdächtigst du jemanden?», fragte Eric und beobachtete Habermann genau. Eine solche Mutmaßung hatte er von seinem Kollegen nicht erwartet und war alarmiert.
Doch Habermann schüttelte den Kopf. «Nein. Die Idee kam mir nur gerade.»
«Mit solchen Vorwürfen sollte man sehr vorsichtig sein», wies Eric ihn mit scharfer Stimme zurecht.
«Ich halte das für unwahrscheinlich», mischte Nielsen sich ein. «Der Täter ertränkt Anna Meyer in diesem See, transportiert sie dann und legt sie im Fluss unter der Weide ab. Warum? Weiß er, dass wir anhand des Wassers in ihrer Lunge dieser Spur folgen? Wollte er uns damit absichtlich zu seinem zweiten Opfer führen? Deiner Exfrau?»
Darauf antwortete Eric nicht. Er ahnte, warum der Wassermann das getan hatte. Dieser Platz unter der Weide am Fluss war Erics Geheimnis gewesen, und der Wassermann hatte ihm zeigen wollen, dass er über ihn
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