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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Und Hayes, der sich mitsteigerte, erkannte plötzlich, daß es einen Weg gab, das Beste aus der Lage zu machen, der Falle von Professor Sombras Automaten zu entrinnen. Er mußte nur für Ainsley das tun, was Carla für ihn getan hatte. Wenn es für sie hier so schlimm wurde, daß sie es nicht mehr ertrug, dann würde sie weggehen. Er konnte sie hinausstoßen in die große Welt. Da gehörte sie hin. Ganz nach oben. Sicher, Allen ging dabei leer aus …
    »Was is’n los, Mann?«
    … aber das war sein Pech. Einer mußte leiden, die Zeche bezahlen. Ainsley! Ihr Gesicht schwebte wie eine kühle, elegante Note über dem Lärm. Herrgott, warum hatte er das eine Wort nicht ausgesprochen? Vielleicht hätte es sie für immer verbunden, den Bann der Maschinen durchbrochen, den Bann der Heilanstalt und der verrückten Welt des Rock’n Roll …
    »Geht’s Ihnen nicht gut, oder was?«
    … und obwohl es zu spät war, sagte er es dennoch, ganz leise, daß Allen nichts hörte. Liebe. Das war das Wort. Das Wort, das sie noch retten konnte, wenn er es nur richtig aussprach. Wenn er daraus ein Drachenwort mit goldenen Schuppen und Feuerzähnen machte, so wild und gleißend wie die Musik …
    »He, Mann – nicht!« schrie Allen, als Hayes das Schießeisen zog, die glühheiße Waffe, und eine Kugel voll tosenden gelben Lichts in die Windschutzscheibe jagte, ins Herz der Musik. Er verfehlte. Sah das Loch, das Netz von Rissen im Glas. Schoß noch einmal und verfehlte wieder. Das Radio baumelte an seiner Schlaufe und schrillte voller Protest. Wenn er nun überhaupt nicht traf? Wenn er goldene Kugeln brauchte? Aber die Drei war eine magische Zahl. Geschmolzene Tropfen tödlich getroffenen Lärms spritzten nach außen. Honiggelbe Stille breitete sich dick über die Wunde.
    Die Sonne hatte zu singen aufgehört, aber in seinem Kopf spielte immer noch die Melodie »An der Schönen Blauen Donau«. Hayes wußte nun, wie er die Musik ausschalten konnte. Und als Allen, gegen die Motorhaube seines Wagens gepreßt, den Mund weit offen, den Hut halb in die Augen gerutscht, endlich das Halfter geöffnet, die Waffe gezogen und gezielt hatte, als die verdrießlichen alten Bläser und Fiedler von Professor Sombras Automaten ihre Enttäuschung über das Entkommen der Opfer herausgekreischt hatten, da drehte sich Hayes wie im Tanz und tat so, als wolle er entfliehen.
     
    Originaltitel: »Dancing It All Away at Nadoka«
    Copyright © 1986 by Davis Publications, Inc.
    (erstmals erschienen in »Isaac Asimovs Science Fiction Magazine«, Mitte Dezember 1986)
    mit freundlicher Genehmigung des Autors und seiner literarischen Agentur, Uwe Luserke, Friolzheim
    Copyright © 1988 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Birgit Reß-Bohusch
    Illustriert von Jobst Teltschik

 
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    Vincent. So signiert er seine gesamten Gemälde; nur sein Name »Vincent« steht in der linken unteren Ecke. Manchmal, wenn der Tag gut und die gelbe Sonne der Provence warm und freundlich zu ihm war und einen Farbtopf über die vom Wind aus dem Norden leer- und saubergefegten Felder gekippt hat, fügt er auch ein Datum hinzu: Frühjahr 1888, damit er sich stets an den guten Tag erinnert, an dem die Sonne freundlich zu ihm war.
    »Die Sonne, die Sonne«, schreibt er in Briefen an seinen Bruder, »ich bin ein Diener der Sonne.« Und an die Wände seines Schlafzimmers hängt er die Gemälde von sechs Sonnenblumen auf, damit sie ihn ständig an die Sonne erinnern. Gelb ist die Farbe der Sonne, gelb ist die Farbe der Freundschaft.
    »Das Haus der Freunde« tauft er sein kleines gelbes Haus in der Ecke des Place Lamartine, und er träumt während der heißen Nächte in der Provence von den Freunden, mit denen er die Wände füllen möchte: eine Bruderschaft der Visionäre, eine Malerkolonie, die sich dem Dienst an der Sonne widmet.
    Jeden zweiten Tag schreibt er seinem Bruder Theo in Paris. Er bittet um mehr Gelb; schick mir mehr Gelb, und er bittet Theo immer wieder, überzeuge Paul, knie dich zu seinen Füßen, damit er in den Süden kommt, nach Arles, um die Künstlerkolonie anzuführen. Er schreibt einen Brief nach dem anderen, und ein Brief nach dem anderen kommt bei ihm an. Sie werden ihm von seinem Freund, dem Briefträger Roulin gebracht (eines Tages werde ich ihn malen, denkt er), Briefe, in denen »noch nicht« steht, und »in Bälde«, und »Geduld,

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