Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
und nach ihrem Geist einflößen. Diese würden nach und nach die vom behandelnden Psychiater eingeführten Scheinwirklichkeiten ersetzen, das einzige, was im Moment zwischen Marleen und dem Wahnsinn stand.
    Die Angst vor Gewittern würde Marleen immer behalten.
    Der kryptische Bericht von Ludwig, der kurz darauf eintraf, wurde vom behandelnden Psychiater zu Marleens Krankenakte gelegt. Der Arzt verstand den Inhalt der Mitteilung nicht; er wußte nur, daß er Marleen in ihrem jetzigen Zustand schaden würde. Er lautete: STERNENSTIMME EMPFANGEN! GROSSVATER HATTE RECHT! ALLES LIEBE FÜR SYBILLIA!
     
    Der Trommler wirbelte ganz in der Nähe, laut und bedrohlich. Der Himmel leuchtete einen Augenblick lang in grellweißen elektrischen Flammen auf, als sich ein gegabelter Finger über die weiten Felder um die Villa verzweigte.
    Da wußte Sybillia plötzlich, wie sie es machen konnte, wie sie es machen mußte. Ihr Körper mußte zu einem einzigen Schrei werden, einem versengenden Schrei himmelwärts, zu den Sternen gerichtet, eine Stimme ohne Körper, eine Stimme, die herausschrie, wo sich ihr Vater befand. Solange Sybillia in diesem plumpen, trägen und hinderlichen Körper gefangen war, diesem Hindernis zwischen ihr und den Sternen und Vater, konnte keine Geistesstimme werden.
    Sie nahm einen der metallenen Küchenstühle und rannte auf die Veranda, in den Regen. Sybillia Sternenstaub hielt den Stuhl über den Kopf. Die Metallbeine des Stuhles erhoben sich über ihr wie Finger, die sich nach den unsichtbaren Sternen ausstreckten. Sie rannte in das tobende Unwetter hinaus.
     
    Originaltitel: »De doodsdromen von Sybillia Sternenstaub«
    Copyright © 1985 by A.W. Bruna & Zoon
    (erstmals erschienen in »Ganymedes 9«)
    mit freundlicher Genehmigung des Autors
    Copyright © 1988 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Niederländischen übersetzt von Hildegard Höhr

 
Christian Lautenschlag
Es kommt der Pan
     
    Verdammt, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich sollte hierbleiben und auf John warten. Das wäre meine Pflicht. Aber was … egal. Ich muß gehen. Ich kann nicht warten. Wo sind die anderen? Es wird niemand da sein, der John mit der Fähre von der Station herunterholt. Am besten, ich hinterlasse ihm dort eine Nachricht. Draußen höre ich Schritte, jemand ruft meinen Namen.
    Ja, ich gehe.
     
    Die Erinnerungen suchen mich heim. Ich wollte, ich könnte vergessen. Ich sehe es vor mir, dieser endlose Weg, den er kam, aus der Tiefe des Universums, und die Bäume neigten sich und wisperten leise seinen Namen. Wir grüßen dich, Pan.
    Ich habe ihn gesehen. Ich habe den ziegengehörnten, bockbeinigen Gott gesehen.
    Pan. PAN.
    Lange habe ich versucht, jemandem eine Nachricht darüber zukommen zu lassen. John hätte es erfahren müssen. Mein Gott, er hat keinen Menschen mehr vorgefunden, als er kam. Ich nehme an, er hat die Fähre selbst gesteuert. Wir hatten vier. Zwei befanden sich auf der Station, zwei auf K/III. Ich nehme an, er hat die Fähre, nachdem niemand auf seine Signale geantwortet hat, selbst heruntergesteuert. Er wird sich gewundert haben. Normalerweise sollte er abgeholt werden. Und wie sehr wird er sich gewundert haben, als er niemanden von uns mehr vorfand?
    Könnte ich mit jemandem sprechen. Könnte ich jemandem erzählen. Es ist in mir, und ich kann es niemandem mehr mitteilen. Was sind Worte? Ich habe das Licht gesehen.
    Was wird aus mir? Wo bin ich?
     
    Eine Nachricht. Sobald ich beginne zu schreiben oder zu sprechen, versagen meine Hände und meine Gedanken. Ich höre mich schreien:
    Pan! Wo bist du?
    Aber ich höre die Musik nicht mehr, so sehr ich auch lausche. Wir haben sie zurückgelassen, als wir von K/III fortgingen. Mich frißt die Hoffnung auf, daß ich sie noch einmal hören könnte, und wenn auch nur tief in mir.
    Guter Gott, gnädiger Gott! Pan, der Zwiegesichtige, Pan, der Anfang und das Ende! Führe mich aus der Blindheit in das Licht!
     
    Hört mich jemand? Ist da jemand, der mir zuhört? In den Steinen, in der Erde, im Holz und Fels, kriecht das Wissen, das ich in mir trage. Ich kann es nicht in Worte fassen. Stammeln, Stottern, Schluchzen, ein Reißen in den Eingeweiden, als wühlte etwas in mir. Ich sterbe vor Hunger nach ihm. Ich bin kein Mensch mehr. Zuviel, zuviel …
     
    Ich stelle mir vor, John sei da. Ich bemühe mich zu sprechen. Vielleicht ist er wirklich da, und ich sehe ihn nur nicht. Da sind Gesichter um mich herum, Schatten. Ist da jemand?

Weitere Kostenlose Bücher