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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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hielt ihn am Arm fest. »Was ist denn?« fragte sie.
    Er brachte keinen Ton hervor.
    Ainsley zwang ihn, sie anzuschauen. Sie musterte ihn lange und forschend. »Warum verschwinden wir nicht von hier?« fragte sie. »Eine kleine Fahrt ins Grüne wird uns guttun.«
     
    Draußen lehnte ein Polizist an seinem Wagen. Ein vierschrötiger, blonder junger Kerl mit einem breitkrempigen Hut. Hayes spürte, wie sich das Schießeisen in seiner Tasche erwärmte. Als der Typ Ainsley sah, kam er mit einem Lächeln auf sie zugeschlendert. »Hallo, Ains«, sagte er. »Hast du was vor?«
    »Eine Spazierfahrt.«
    Das schien ihn zu giften. »Wer ist der da?« fragte er und warf Hayes einen wütenden Blick zu.
    »Ein Schulfreund.« Sie wollte an ihm vorbeigehen, aber er versperrte ihr den Weg.
    »Was soll’n der Quatsch? Der ist doch mit dem Bus gekommen.«
    »Dürfen meine Freunde nicht mit dem Bus kommen?«
    »Ich …«
    »Wir sind nicht verheiratet, Allen«, sagte sie und schob Hayes auf einen verstaubten blauen Chevy zu.
    Der Bulle rief ihr etwas nach, aber sie gab keine Antwort.
    »Allen und ich hatten mal was miteinander«, meinte sie, als sie den Motor anließ. »Die Auswahl an Männern ist hier nicht überwältigend, und trotzdem …« Sie schlug mit dem Handballen auf das Lenkrad. »Mist!«
    »Was vergessen?« fragte Hayes.
    »Nein. Ich merke nur, daß ich Blödsinn rede.«
    »Inwiefern?«
    »Sobald du einem Mann von deinem Liebesleben erzählst, verrätst du ihm, daß du ihn magst … daß es gefunkt hat.« Sie verließ den Parkplatz und steuerte den Wagen nach Norden. »Wie findest du mich?«
    »Gut«, entgegnete er, selbst überrascht, wie stark das Gefühl war. Es schien die erste saubere Sache seit dem Moment, da er Carla kennengelernt hatte.
    »Dachte ich mir.« Sie musterte ihn von der Seite. »Mann, du siehst echt Spitze aus.«
    »Du auch.«
    »Stimmt nicht«, meinte sie sachlich. »Hinten zuviel und vorne zuwenig.« Aber das Kompliment schien sie zu freuen.
    Sie fuhren an dem Landmaschinen-Laden vorbei. Im Schaufenster hing eine Flagge mit der Aufschrift: This is John Deere Country. Hayes stellte sich vor, daß es ein schönes Land war und daß John Deere aussah wie eine Mischung aus Paul Bunyan und Johnny Appleseed – ein Riese, der rotes und grünes Metall säte. Er vergaß den Bullen und dachte über die Musikmaschinen nach.
    »Wie hieß der Schausteller, von dem dein Daddy die Musikautomaten kaufte?« wollte er wissen. »Etwa Professor Sombra?«
    »Nein, das war der Vorbesitzer. Der Jahrmarkt-Mensch hatte sie aus seinem Nachlaß gekauft. Woher kennst du den Namen?«
    »Er war in eine der Maschinen eingeritzt.«
    »Ist mir noch nie aufgefallen. In welche?«
    »Keine Ahnung. Weißt du mehr über ihn?«
    »Komischer alter Kauz. Stellte sich wie ein Dirigent vor seine Maschinen hin und schwang verrückte Reden. Behauptete, er sei ein Sklave der Musik … Irgendwie übergeschnappt, der Mann. Warum fragst du?«
    »Nur so.«
    Vielleicht konnte der Professor ihm tatsächlich helfen.
    »Weißt du was?« meinte Ainsley. »Als vorhin Allen auftauchte, da hast du ausgesehen, als würdest du dich am liebsten in Luft auflösen.«
    Hayes blieb stumm und spannte sich an.
    »Versteh mich nicht falsch. Du mußt mir nichts erzählen, wenn du nicht willst.«
    Gerade das löste die Sperre, und plötzlich begann er zu reden, über Donnie und die Anstalt, über Carla. »Sie war wohl das, was die Leute eine Nymphomanin nennen, und als Reno und Clayton von der Nachtschicht das rauskriegten, fingen sie an, in ihr Zimmer zu schleichen und … sie auszunützen. Später schleppten sie mich dann mit. Um Aufnahmen von mir und Carla zu machen.«
    »Hättest du das nicht melden können?«
    »Ich hatte Angst«, sagte er. »Reno und Clayton, das waren zwei brutale Typen. Es ging das Gerücht um, daß die schon einen Patienten auf dem Gewissen hatten.«
    Er erzählte ihr, wie es gewesen war. In Carlas tote Augen zu starren, das widerwärtige Schmatzen zu hören, wenn ihre schwitzenden Körper aufeinandertrafen, die Zoten von Reno und Clayton. Er hatte allmählich das Gefühl bekommen, daß ihn die Schenkel des Todes umklammerten, daß Carlas Leere ihn aufsog. Manchmal hatte sie ihn mit gespreizten Beinen erwartet, als habe sie sich seit seinem Weggehen nicht von der Stelle gerührt, als lebte sie nur noch für diese eklige Leidenschaft. Und … er schaffte es nicht, Ainsley den Rest zu erzählen. Er konnte nicht einmal sagen, ob dieser Rest

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