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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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von ›klagen‹, also ›edra‹, kann aber auch ›edla‹ heißen. Ich hab’s nicht genau verstanden … na, und eben dieses ›emrat‹. Was heißt denn ›edla‹?«
    Markus überlegte.
    »Edla heißt überhaupt nichts, das gibt’s gar nicht in Universal.«
    »Ein eigener Dialekt? Oder eine ganz neue Sprache, abgeleitet von Universal?«
    Großvater war voller Hoffnung. Markus biß sich auf die Zunge. Fast hätte er laut herausgelacht. Er schämte sich, aber nicht sehr. Die Wörter stammten aus dem Computer. Der ließ siebzig Prozent der Wortproben bis auf die Verzerrung unverändert, die restlichen Prozent zerlegte er in die Phoneme und setzte sie zu neuen Wörtern zusammen; gesteuert durch den Zufallsgenerator. ›edla‹ war so ein Wort. Niemand, auch nicht Markus selbst, hatte darauf Einfluß; obwohl – ganz stimmte das nicht. ›Dienstag‹ gehörte zu einem unveränderlichen Grundrepertoire, das bei jedem Kontakt gespielt werden mußte. Es war notwendig, daß Großvater nachdrücklich an den richtigen Sendetermin erinnert wurde, durch Martha selbst. Sonst kam er noch auf die Idee, zu anderen Zeiten Kontakt mit dem Jenseits zu suchen. Das könnte zu unerwünschten Verwicklungen führen. »Ich werd’ mir in Ruhe überlegen, was das alles zu bedeuten hat. Wieso spricht sie von ›Sturm‹? Könnte metaphorisch gemeint sein … nun, wir werden sehen.«
    Davon war Markus überzeugt. Und er war zufrieden. Fürs erste funktionierte die Kontaktnahme nicht schlecht. Großvater war besserer Laune als je zuvor. Er hatte jetzt eine Aufgabe. Er würde jeden Dienstag abend vor dem Röhrenradio sitzen und eifrig die verstümmelten Botschaften seiner Martha notieren. Und er würde, hoffte Markus, noch viele natursprachliche Wendungen von sich geben. Und Markus würde sie aufschreiben. So hatte jeder zu tun.
     
    Das Leben der Familie kehrte in geordnete Bahnen zurück. Berger wurde von Dr. Lennart noch einmal untersucht; er ließ es mit unüblicher Geduld über sich ergehen. Lennart konnte keine Anomalie des Verhaltens und der geistigen Befindlichkeit feststellen. Berger war gesund. Einem Besuch der Kurse stand somit nichts mehr entgegen; zur großen Freude der Familie wehrte sich Berger nicht gegen diesen Vorschlag. Er besuchte die Kurse und fiel dort positiv auf. Wohl das erstemal in seiner Karriere.
    »Ihr Schwiegervater«, sagte Schmarr eines Tages zum Dozenten, »arbeitet jetzt mit, wie ich es bei ihm noch nie erlebt habe. Ich meine, jetzt kann ich es ja sagen: Wir haben ernstlich überlegt, ihn aus dem Kurs herauszunehmen – nach seinen Leistungen im letzten Semester. Aber keine Angst, das ist jetzt gegenstandslos. Er ist wie umgewandelt.«
    Der Dozent konnte nichts dazu sagen. Er konnte nur nicken und ein verlegenes Gesicht machen. Schmarr fiel es nicht weiter auf, da er die Angewohnheit hatte, Gleichgestellten, mit denen er sprach, nicht in die Augen zu schauen.
    »Ich halte es für die Wirkung eines heilsamen Schocks im Gefolge dieses tragischen Ereignisses mit Leutold. Dr. Lennart ist übrigens auch dieser Ansicht. Vielleicht publizieren wir was darüber.«
    Von dieser Aussicht war der Dozent weniger begeistert. Er wünschte kein offizielles Interesse an der Person seines Schwiegervaters. Er würde mit Lennart reden. Der konnte sich den Wünschen eines Dozenten nicht verschließen. Und Schmarr selbst würde das Ganze vergessen, wenn ihn sonst niemand darauf ansprach.
     
    Fünf oder sechs Wochen lang ging alles gut. Berger saß jeden Dienstag vor dem Radio. Eine zusammenhängende Theorie darüber, was ihm seine Verflossene eigentlich mitteilen wollte, hatte er noch nicht geliefert, und es war auch niemand neugierig darauf, eine solche Theorie zu hören. Der Computerkontakt wurde von 10 auf 20 Worte pro Sendung erhöht. 20 Worte stellte sich als Idealwert heraus, mit dem Berger eine Woche lang beschäftigt werden konnte. Er studierte und grübelte viel in dieser Zeit. Jedenfalls wurde sein Schweigen bei den Mahlzeiten so interpretiert. Am Montag zeigte er Zeichen von Unruhe. Er begann sich zu langweilen. Aber am nächsten Tag kam ja der neue Kontakt und weitere interessante, wenn auch rätselhafte Mitteilungen von Martha.
     
    »Ist das interessant, solche Geräte zu reparieren?«
    Die Frage war denkbar blöd, und der Dozent wußte das auch.
    »Ach, ja … schon … irgendwie …«, sagte Jimmy. Er sprach so leise, daß man ihn kaum verstehen konnte. Er saß am runden Wohnzimmertisch dem Dozenten gegenüber.

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