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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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er da war und sich kümmerte –, das Gefühl, begehrt zu werden. In ihrer Gruppe diskutierten sie oft, ob dies Liebe sei, oder damit zu tun habe, und wenn ja, welche Art von Liebe und so weiter. Sie führten auch Buch: Alle hatten eingewilligt, ihre Erfahrungen mit Jimmy zu notieren und den anderen mitzuteilen. Das konnten sie dann auch gleich als Jahres-Pflicht-Projekt einreichen. Gab einen schönen Punktesockel. Bis jetzt war allerdings noch nicht viel herausgekommen. Die eine fand dieses anziehend, die andere jenes. Jimmy hätte sich gewundert, über welche Eigenschaften und Fähigkeiten er verfügte. In einem waren sie sich einig. »Er röhrt wie ein Stier, wenn’s ihm kommt«, sagte Doris. Doris traf immer den wesentlichen Punkt; für Gruppenarbeit sehr wertvoll. »Ich hör’s, und das bringt mich auch soweit. So stark, daß ich schrei’ dabei. Das heißt, er sagt, daß ich schrei’. Ich bin selber weg, ich kann nichts hören. Das hat mir noch kein Mann gesagt, daß ich schrei’.«
    Jimmy stand auf.
    »Am besten mach ich mich gleich dran. Ich hab’ alles mitgebracht.«
    Das war ihr wieder zu schnell. Sie hätte sich noch gerne eine Zeitlang hin- und hergewälzt und alles haarklein durchbesprochen. Sie seufzte und stand auch auf.
    »Wann kommt dein Mann?«
    Sie lächelte und zog das Laken glatt. Immer dieselbe irrationale Angst. Als Aktiv-Tätigen würden sie Jimmy durch die Mangel drehen – unausdenkbar.
    »Spät abends. Er ist auf einer Bezirkskomitee-Sitzung. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Ich hab’ keine Angst.«
    Überzeugend klang es nicht. Eher trotzig. Ein Junge, dachte sie, ein kleiner Junge.
    »Schon gut, komm jetzt. Die Sachen kannst du hier lassen. Es ist kein Mensch im Haus außer uns.«
    Sie genoß es, splitternackt vor ihm herzugehen, durchs ganze Haus. Ein Kitzel, den sie sich leisten konnte. Berger war bei einer langwierigen Nachuntersuchung im Med-Zentrum; er mußte über Nacht dort bleiben. Ganz und gar unklar, was sie eigentlich noch herausfinden wollten. Es geschah wohl zur Befriedigung amtlicher Vorschriften und zur Beruhigung Dr. Lennarts ängstlicher Selbstzweifel. Markus war in der Schule.
    Jimmy war sehr geschickt. Er schraubte die Rückwand des Radios ab und montierte im Innern einen feinen Draht, den er durch eine Bohrung herausführte.
    »Hoffentlich glaubt er das mit der Antenne.«
    »Er war sogar begeistert davon. Die neue Antenne, hat ihm Markus gesagt, wird den Empfang entscheidend verbessern.«
    Mit dieser sogenannten Antenne ersparten sie sich Mikroempfänger und Sender, hochkomplizierte technische Finessen, die nur schwarz erhältlich und sehr teuer waren. Jimmy führte den Draht zum Fenster; von dort durch das Glashaus nach unten. An der Innenwand standen Pflanztöpfe auf Leichtmetall-Stellagen. Hinter dem Blattgewirr war der Draht nicht mehr sichtbar. Im Erdgeschoß mußte Jimmy nur noch eine Fliesenplatte abheben und die Leitung durch den Kabelschacht für die Temperaturfühler in den Keller ziehen. Er arbeitete ruhig und geschickt. Eine Viertelstunde später war alles fertig. Solche Fähigkeiten, dachte sie, werden viel zu wenig geachtet; wie lange hätte der Dozent dazu gebraucht! Das Kabel verschwand mit vielen anderen in der Com-Anlage. Hier liefen die Lichtleiter für das Bezirks-Com, die Stromversorgung, die Steuerung für die Screens und das andere Elektronik-Zeug zusammen, das dem Haushalt eines Sprachdozenten zustand. Die Frau hatte sich nie besonders dafür interessiert. Eine Domäne ihres Sohnes, was beim Dozenten öfter kritisches Stirnrunzeln hervorrief. Sie war in diesem Punkt ausnahmsweise auf der Seite ihres Mannes. Die technischen Aspekte von Com und Elektronik und so weiter hatten etwas Anrüchiges an sich; keine adäquate Beschäftigung für Markus. »Die Dinge sind für uns da«, sagte der Dozent, »nicht wir für die Dinge.« Aber mehr fiel ihm dazu auch nicht ein. Die Frau kannte den Satz. »Die einzig adäquate Antwort auf technische Ansprüche und Ansprüche von Technikern …«, da hatte der Dozent ganz recht. Aber wie erklärt man solche grundlegenden Zusammenhänge einem Fünfzehnjährigen? Doris versuchte zu trösten, sie kannte das Problem. »Das gibt sich«, sagte sie, »ist nur eine vorübergehende Phase. Bei meinem hat es keine zwei Jahre gedauert, dann hat er es satt gehabt.« Die Frau konnte nur hoffen. Vielleicht war Markus erblich belastet. In ihren depressiven Phasen sah sie ihn schon als zurückgestuften Passiv Tätigen

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