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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Geraune seiner toten Frau notieren.
    Natürlich hatte der Dozent Einwände.
    »Vorausgesetzt, es funktioniert so, wie du sagst, was ich im übrigen noch bezweifeln möchte, aber nehmen wir das einmal an: Willst du das dann jede Woche abspielen, dieses Theater? Was für einen Text? Weißt du denn, wie es im Jenseits aussieht?« Er lachte, als ob er einen guten Witz erzählt hätte. Sonst lachte niemand. Markus blieb ganz ruhig. Manchmal war sein Vater furchtbar schwer von Begriff.
    »Das brauch’ ich doch überhaupt nicht zu wissen. Er weiß es doch auch nicht. Aber er hört irgendwas und hat seinen Seelenfrieden wieder. Und den Text selbst erzeugt natürlich der Computer, ist doch klar. Zufallsgenerator, versteht ihr? Es müssen natürlich Wörter mit hohem Affekt-Level darin vorkommen. Wir machen in der Schule grad ein Programm, das solche Wörter aus einem beliebigen Text aussortiert. Eine Liste hätte ich in einem Tag. Wir brauchen ja bloß ein paar hundert.«
    Die Frau war beeindruckt und stolz auf ihren Sohn. Dieses Verständnis für die Erfordernisse der Praxis, das hatte er von ihr.
    »Aber wer soll das sprechen?« fragte sie.
    »Du«, sagte Markus und begann weiterzuessen.
    »Deine Stimme ist so ähnlich wie die von Oma. Hat er wenigstens gesagt. Da braucht man dann mit den Filtern nicht mehr so viel herumzuprobieren.«
    Der Dozent überhörte diesmal die falsche, patriarchalische Wortbildung. Die Sache begann ihn zu interessieren. Am Horizont zeigte sich ein schmaler Hoffnungsschimmer.
    »Kannst du so was wirklich machen, Markus? Stell dir vor, was geschieht, wenn es schiefgeht, wenn er dahinterkommt!«
    Markus kaute bedächtig.
    »Allein kann ich’s nicht. Das heißt, ich kann das mit den Wörtern machen. Aber das technische, also einen Mikroempfänger in das Radio einbauen und so, das müßte einer machen, der sich damit gut auskennt.«
    »Jimmy«, sagte die Frau. Der Dozent sagte nichts. Er beugte sich über seinen Teller. Zum Thema Jimmy sagte er nie etwas. Eine Weile aßen sie schweigend; die Phase innerer Bearbeitung des Vorschlags. Das Ergebnis stand aber schon fest. Sie würden es versuchen. Es blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig. Doch irgendein bestätigender Schlußpunkt mußte schon sein. Die Frau nahm es auf sich, ihn zu setzen.
    »Ich werde Jimmy fragen«, sagte sie, und das war’s dann.
     
    »Machst du es nachher?«
    Jimmy wälzte sich herum; auf ihre Seite. Er döste; wie er es immer tat – danach. Eine Eigenheit, die sie nicht schätzte. Es machte sie nervös. Es war nicht so, daß sie hinterher selber voller Elan aus dem Bett gesprungen wäre; aber sie wollte sich gerne unterhalten, eine Zigarette rauchen, ein Glas Wasser trinken (oder ihn danach schicken), irgend etwas tun – zum Beweis, daß alle noch am Leben und guter Dinge waren. Jimmy war ein träger Charakter. Er widmete sich ihr mit ruhiger, besonnener Ausdauer – was sie fast um den Verstand brachte. Und danach lag er mit halboffenen Augen und tat gar nichts. Sie wußte nicht, was er da sah und dachte. Keine Kontrolle, beunruhigend. Sie hatte Angst, er würde eines Tages aufstehen, hinausgehen und nie mehr wiederkommen, weil er vielleicht in all den Jahren, nur in ihrem Bett, eine komplizierte Berechnung angestellt und endlich die Lösung gefunden hatte. Wenn sie ihn zwang, auf ihre Fragen einzugehen, war er wieder da, bei ihr, ganz bei ihr; widerwillig, aber doch.
    »Ja, ich mach’s«, sagte er und streichelte mechanisch über ihr Haar. Nicht sehr zärtlich, nur so, als ob. Ein dicker Minuspunkt für Jimmy bei ihren Vorgängerinnen. »Er faßt mich dann an wie eine Puppe«, sagte Doris, »als ob’s ganz egal wäre, ob ich was dabei fühle oder nicht. Wenn wir ehrlich sind, also ohne Jimmy-Mystifikationen und so, ist er doch der miese Macker schlechthin, halt so, wie sie früher alle waren.« Die Frau war nicht dieser Ansicht. Aber das sagte sie nicht laut. Sie verstand nicht, wieso ihre Freundinnen sich so über eine harmlose körperliche Zerstreutheit aufregen konnten. Sie war sicher, er hatte diese Damen ebensogut bedient wie er sie jetzt bediente. Doris mußte natürlich so reden. Sie war von allen in der Gruppe am meisten emanzo. Da konnte sie sich keine Schwächen erlauben; immer den Finger in die offene Wunde legen. Ihr war das Streicheln angenehm – mechanisch oder nicht. Es verpflichtete zu nichts, weder sie noch ihn. Sie schaute ihn an. Jimmy war schön. Er vermittelte das Gefühl – einfach dadurch, daß

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