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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Jimmy war eingeladen worden; von der Frau natürlich. Und er fühlte sich unbehaglich. Es ist ein Rätsel, dachte der Dozent, was sie an diesem Kerl findet. Aber wahrscheinlich fragen sich das alle Ehemänner in seiner Lage.
    »Ich meine«, sagte Jimmy, »manchmal ist es natürlich langweilig. Da bringen die Leute irgendwelchen alten Krempel und man muß dann monatelang nach Ersatzteilen suchen, das schon …«
    »Aha«, sagte der Dozent, »ja, das kann ich gut verstehen.«
    Die Diskussion versandete wieder. Der Dozent interessierte sich nicht für elektrische Geräte, geschweige denn für ihre Reparatur. Er kannte nicht den Unterschied zwischen Gleichstrom und Wechselstrom. Und Jimmy wußte das. Die Fragen, die er Jimmy gern gestellt hätte, konnte er ihm stellen, wenn er mit ihm in einer Gruppe saß – was wegen ihrer unterschiedlichen Stellung nicht möglich war –, aber nicht hier im rein privaten Bereich. Die Frau war einfach verrückt. Sie stand in der Küche und werkte am Abendessen. Markus saß unten an seinem Computer. Sie wird wie der Vater, dachte der Dozent. Die Fragen, die ihn brennend interessiert hätten, betrafen das Verhalten dieser Frau, wenn sie mit diesem Mann im Bett lag. Ging sie ordentlich mit? Lustschreie, ja oder nein? Und wie oft überhaupt; hintereinander. Auch hätte er den Mechaniker gern gefragt, ob er ihm die Eier zerquetschen oder doch lieber nur mit einer Motorwinde die Gedärme herausziehen solle. Statt dessen mußte er hier sitzen und sich Einzelheiten der Reparatur antiker Toaster anhören. Es war absurd. Was erhoffte sie sich von dem Zusammentreffen? Sollte er Freundschaft schließen – mit diesem Halbaffen?
     
    Jimmy erkannte, wie er das ungemütliche Schweigen durch eine Art Vortrag retten konnte. Er dachte sonst nicht viel über gesellschaftliche Gepflogenheiten nach. Die Idee mit dem Vortrag kam aus der bittersten Not: Er mußte nur erzählen, was er heute den Tag über getan hatte, beruflich natürlich. Er begann also am frühen Morgen mit einem defekten Mixer und arbeitete sich über mehrere Toastapparate, bei denen heute eine seltsame Häufung aufgetreten war, zur Waschmaschine am frühen Nachmittag vor. (Die Mittagspause übersprang er taktvoll, denn da hatte er die Frau ›kurz gestoßen‹, wie sie die spontan erfolgenden Kopulationen auf der Werkbank nannte.) Er war bei der Schilderung seiner Schwierigkeiten angelangt, einen bestimmten, längst aus der Produktion genommenen Filter aufzutreiben, als das Licht ausging. Die Frau kam aus der Küche, der Dozent sprang auf und fluchte. Stromausfälle gab es oft in letzter Zeit, was der Dozent auf eine falsche Zuteilungspolitik bei den Anschlüssen an das Solarnetz zurückführte. So hatte es jedenfalls Prof. Stürhammer erklärt. Stürhammer kannte sich aus mit der Technik und beobachtete das Treiben der Netzabteilung mit Argwohn. »Jeder kleine Schlosser«, sagte er oft, »kriegt heutzutage schon einen Anschluß. Sie werden sehen, daß auf dem Umweg über diesen sogenannten tertiären Sektor die alte Mangelproblematik wieder bei der Hintertür hereinkommt.« Der Dozent konnte sich zwar nicht erinnern, daß jemals eine ›Mängelproblematik‹ bestanden hätte, aber er vertraute in solchen Belangen Stürhammers Kenntnissen.
    »Wir sollten in der Energiezentrale nachsehen«, sagte Jimmy. »Wahrscheinlich ist es nur die Hauptsicherung.«
    Der Dozent war froh um diesen Vorschlag.
    »Hier müssen irgendwo Kerzen sein. Ich weiß, daß sie welche aufbewahrt für solche Fälle.«
    Suchen erübrigte sich, da die Frau mit einer brennenden Kerze in der Hand hereinkam. Der Dozent nahm sie mit einer Geste zerstreuter Nonchalance entgegen.
    »Jimmy und ich gehen runter und sehen nach, was los ist.« Der Dozent wunderte sich; über seinen eigenen Vorschlag. Er stellte sich vor, wie er diesem jungen Mann bei der Reparatur der Hauptsicherung oder bei der Reparatur von sonstwas zusehen würde. Unten im Keller. Und er dachte, es würde ihm gefallen. Warum nur? Was hätte er zu seiner Motivation in der Gruppe gesagt?
    (»Ich weiß nicht genau, wie ich es ausdrücken soll, aber ich sehe einem gewissen jungen Mann – Jimmy heißt er – gern zu, wie er Sachen repariert.«
    »Steht dieser Jimmy in irgendeiner Beziehung zu Ihnen?«
    »Ja, steht er.«
    »Und in welcher?«
    »Nun, er bumst regelmäßig meine Frau.«
    »Aha.«
    Und so weiter und so fort.)
    Der Dozent war froh, nicht in der Gruppe zu sein. Wenn der Monteur arbeitete, konnte er

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