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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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mit Schraubenziehern an den Nachtjalousien anderer Leute Glashäuser hantieren.
    Jimmy hatte die Leitung an den Computer angeschlossen.
    »Das weitere müßt ihr nun selber machen. Da kenn’ ich mich nicht aus. Aber Markus wird das schon hinkriegen.«
    Jimmy sprach immer mit Hochachtung von Markus, obwohl ihn der zu übersehen schien. Aber das waren ganz normale ödipale Muster, viel weniger gefährlich als die Vorliebe für alles Technische.
    »Also komm«, sagte sie, »ich hab’ noch was vor. Ich will nicht den ganzen Tag damit verplempern.«
    Jimmy zog sie an sich und grinste. Sie kannte sonst keinen Mann, der so unverschämt grinsen konnte. Auch darüber waren sie sich in der Gruppe einig. »Er ist so direkt«, meinte Doris, »bei den anderen merkst du immer den ganzen Wust von Verklemmungen und Verspannungen und was weiß ich noch alles.«
    Sie preßte sich an ihn.
    »Was hast du denn vor«, fragte er leise.
    Sie riß sich los und lief zur Tür.
    »Schau selber nach!« rief sie, »dann siehst du’s!«
    Lachend lief sie nach oben.
     
    Berger war begeistert. Der Empfang der Stimme hatte sich gegenüber dem ersten Kontakt unvergleichlich verbessert.
    »Du bist wirklich auf Draht, Junge«, sagte er mit jenem Ausmaß von wohlwollendem Unterton, der das Äußerste darstellte, wozu er fähig war. Markus wußte das und war stolz auf das Lob. ›Auf Draht sein.‹ Diese Wendung hatte Großvater schon lange nicht mehr gebraucht. Markus hätte sie vergessen. Er mußte all diese Wörter aufschreiben und in einem besonderen Sicherheits-File verstecken. Es hatte ja keinen Zweck, die Wörter und Phrasen nur zu hören. Sie mußten aufgezeichnet werden; am besten mit allen Übersetzungen in Universal und den moderneren Varianten.
    »Ich versteh’ nur nicht«, sagte der Großvater, »warum sie jetzt Universal spricht. Sie hat es doch nie besonders gut gekonnt – zu ihren Lebzeiten.«
    Markus bemerkte, daß die Augen des Großvaters schon wieder verdächtig wäßrig wurden.
    »Es kann ja sein«, sagte er schnell, »daß sie besondere Gründe hat dafür. Kontrollinstanzen, Vorschriften, was weiß ich. Vielleicht erlauben die dort drüben keine Kommunikation in Natursprache.«
    Der Großvater brummte. Völlig überzeugt war er nicht von der Erklärung. Aber auch nicht mißtrauisch. Das würde noch einiges an Arbeit geben, sich dafür eine passende Erklärung auszudenken und Martha in hinreichend verstümmelter Form mitteilen zu lassen. Die tote Martha sprach nicht freiwillig Universal. Nach Aufnahme und Verzerrung der ersten paar hundert Wortkombinationen mußten sie feststellen, daß alles nach ihrer durchaus lebendigen Tochter klang. Und die hörte er ja jeden Tag in natura. Das war ihnen zu riskant. Der Vorschlag mit Universal kam vom Dozenten. Ein kleinlicher Racheakt, weil er den Großvater nicht leiden kann, dachte Markus. Aber ihm fiel auch nichts Besseres ein. In Universal verschwanden die Sprachcharakteristika; die Stimme klang nach dem Verzerrer neutral. Zuerst gab es noch lange Debatten, wie sie das dem Großvater erklären sollten.
    »Ihr werdet sehen, es scheitert daran«, hatte der Dozent verkündet. Es war typisch für ihn, einen Vorschlag zu machen und gleich danach dessen völlige Unbrauchbarkeit herauszustreichen.
    »Er wird es merken. Er wird mißtrauisch. Und dann geht er dem Draht nach und dann …«
    Den Rest des Satzes ließ er in rhetorischem Schweigen unheilschwanger wirken. Markus ging das auf die Nerven.
    »Wir erklären gar nichts. Soll er sich selber was ausdenken. Tut er doch sowieso die ganze Zeit.«
    Dabei waren sie geblieben.
    Berger hatte das Universal-Wörterbuch aufgeschlagen neben sich. Er blätterte darin.
    »Ich wollte, ich hätte mir diese Sachen besser gemerkt. Aber für Vokabeln hab’ ich einfach keine Ader. – Was heißt den ›emrat‹? Weißt du das auswendig?«
    »Wissen«, sagte Markus. »Für sich genommen, heißt es ›Wissen‹. Es kommt auf den Zusammenhang an. Kriegst du nichts raus?«
    »Es gibt keinen Sinn bis jetzt. Mir fehlen natürlich die Stücke, wo es unterbrochen ist durch die Störungen. ›… du kannst sagen‹, hab’ ich entziffert, ›Dienstag abend‹ … aber das hat sie letztesmal schon gesagt; dann: ›Es geht mir wohl‹ oder so ähnlich, aber da bin ich nicht sicher. Die Endung war schwer verständlich …«
    »Und das ist alles?«
    »Viel mehr ist es nicht. Warte mal … ›Wolken‹ kommen noch vor und ›Sturm‹ … und mehrere Male der Wortstamm

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