Wassermelone: Roman (German Edition)
Erfahrung verbuchen, dass er schließlich kam. Man könnte sogar sagen, dass ich unsere Begegnung eingefädelt hatte.
Verdammt noch mal, das wäre unfair.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Und Gott kann kein parkendes Auto wegfahren.
Hätte ich Adam etwa getroffen, wenn ich mit Schokolade und Marie Claire zu Hause im Bett geblieben wäre? Die Antwort heißt mit Sicherheit nein.
Ich saß da und hatte das eine Auge auf Samanthas Übernahme-Angebot und das andere auf den Eingang gerichtet. Zwar hoffte ich, dass Adam hereinkäme, und rechnete sogar mehr oder weniger damit, doch war ich nicht auf das gefasst, was ich empfand, als er tatsächlich kam. Er war so, er war so … hinreißend. So groß und stark. Gleichzeitig aber auch so jungenhaft süß.
Sachte, sachte, sagte ich mir. Dreimal tief durchatmen. Ich widerstand dem Drang, Kate einfach auf den Tisch zu setzen, zu Adam zu rennen und mich ihm an den Hals zu werfen.
Ich ermahnte mich, dass ich meine Neurose-Zuteilung bei ihm schon verbraucht hatte, und überlegte, dass es ein guter Gedanke wäre, sich wie eine normale und ausgeglichene Frau zu verhalten. Mit etwas Übung konnte ich unter Umständen sogar eine werden.
So saß ich also gefasst da und bemühte mich, Gelassenheit, Ausgeglichenheit und Unneurotischsein auszustrahlen.
Endlich sah er mich. Ich hielt den Atem an.
Ich rechnete damit, dass er wie ein erschrecktes Pferd auf die Hinterhand gehen und wiehernd durch die Tür davonstieben würde, als wären die Hunde der Hölle hinter ihm her.
Ich erwartete, dass er mit gesträubten Haaren und weit aufgerissenen Augen hakenschlagend wie ein Hase durch das Café rennen, dabei Tische und Stühle umwerfen und Unbeteiligten den Inhalt von Teekannen und Kaffeetassen über Rumpf und Glieder schütten würde, wobei er mit dem Finger wild auf mich und Kate weisen und jedem zurufen würde, der es hören wollte: »Die da ist total verrückt und durchgeknallt. Ich hab mit ihr nichts zu tun.«
Aber er tat nichts dergleichen. Er lächelte mir zu. Zugegeben – ein eher misstrauisches Lächeln. Aber ein Lächeln.
»Claire!«, sagte er und kam an unseren Tisch.
»Und Kate«, fuhr er fort. Beide Male richtig getroffen. Ihm entging nicht viel.
Er gab Kate einen Kuss. Mir nicht. Aber damit konnte ich leben.
Ich war so froh, ihn zu sehen, und noch froher, dass er bereit war, mit mir zu sprechen. Es war mir nicht so schrecklich wichtig, wen von uns er küsste.
»Setz dich doch zu uns«, sagte ich höflich.
Ganz Dame von Welt. Die unübertroffene Gastgeberin, das war ich. Tadelsfreie Manieren. Alle Gefühle, sofern ich überhaupt welche hatte, fest unter Kontrolle und dort, wohin sie gehörten.
Mein Kinn war erhoben, meine Oberlippe gestrafft, meine Miene undurchdringlich. Nichts, was ihn hätte vertreiben können.
»Gern«, sagte er. Misstrauisch. Wachsam. Er beäugte mich vorsichtig. Vielleicht rechnete er damit, dass ich ihm vorwarf, er sei auf meine Mutter scharf.
»Ich hol mir nur schnell ’ne Tasse Kaffee«, sagte er.
»Schön«, sagte ich mit großherzigem Lächeln, wobei (wie ich hoffte) jeder meiner Poren Entspanntheit und Ausgeglichenheit entströmte.
Er ging. Ich wartete. Und wartete.
Ach je, dachte ich betrübt. Wahrscheinlich hat er sich aus dem Staub gemacht. Er will wohl nichts mit mir zu tun haben. Es sah so aus, als entwickelte ich eine gewisse Fertigkeit darin, Männer zu vergraulen.
Wahrscheinlich war er im Fensterchen der Herrentoilette stecken geblieben, als er versuchte, inmitten der stinkenden Mülltonnen, Kohlblätter und leeren Schnapsflaschen, die man oft vor der Hintertür von Restaurants und Cafés findet, ins Freie zu gelangen.
Ich versenkte das Buch in meiner Handtasche, denn in meiner Freude, ihn zu sehen, hatte ich ganz vergessen, den Umschlag des Kitschromans zu verstecken, und setzte Kate in ihrem Tragetuch zurecht.
Wenigstens hab ich es versucht, dachte ich.
Ich war froh. Zwar hatte ich nicht bekommen, was ich wollte, aber zumindest hatte ich die Verantwortung für mein Leben übernommen. Ich hatte mich bemüht, etwas auf die Beine zu stellen, etwas zu arrangieren.
Ich hatte mich nicht wie ein Opfer verhalten, in dessen Leben alles einfach nur geschieht. Ich hatte die Dinge in die Hand genommen.
Es hatte nicht funktioniert, aber das war nicht weiter schlimm. Entscheidend war, dass man es versuchte.
Wenn ich wieder einmal einem netten Mann begegnete, würde ich mich nicht wieder wie ein Schulmädchen in einem
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