Wassermelone: Roman (German Edition)
Glaub bloß nicht, dass du ein Monopol auf diese Gefühle hast. Außerdem, inwiefern mach ich dir Angst?«
»Ich hab angenommen, dass du mich gegen Helen ausspielen könntest«, sagte ich.
»Aber ich hab dir doch gesagt, dass das nicht der Fall ist«, sagte er ärgerlich. »Und ich hab dir auch gesagt, dass ich verstehen kann, warum es dir so geht, obwohl es mir nicht gefällt.«
»Warum bist du in dem Punkt nur so mimosenhaft?«, fragte ich ihn, einen Augenblick von meinem eigenen Elend abgelenkt. »Ich dachte immer, alle Männer haben es gern, wenn man sie für unwiderstehlich hält.«
»Ich bestimmt nicht«, sagte er. Er machte einen traurigen und nachdenklichen Eindruck. Mir war klar, dass er nicht nur an mich und Helen dachte.
Was mochte nur mit ihm geschehen sein? Welche Art von Kummer trug er mit sich herum? Ich musste der Sache auf den Grund gehen.
Aber zuerst musste ich unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. So machte ich tapfer weiter. »Nach unserem Gespräch vom Sonntagabend hatte ich das Gefühl, dass ich mich hysterisch aufgeführt und dich durch meine übermäßige Reaktion verschreckt hatte. Ich hab gedacht, du würdest mich nicht mehr anrufen«, stieß ich hervor und spähte aufmerksam durch die Wimpern, um zu sehen, wie er das aufnahm.
»Nun …«, sagte er gedehnt.
Mach schon, um Gottes willen, dachte ich, meine Nerven halten das nicht aus .
»Ich hätte dich nicht angerufen«, fuhr er fort.
»Oh«, sagte ich.
Ich hatte also recht gehabt. Hundert Punkte für meinen Instinkt. Minus mehrere Milliarden dafür, dass ich mein Wohlbefinden in den Vordergrund stellte.
Ich fühlte mich, als hätte mich ein Pferd getreten. Eigentlich stimmt das nicht, denn mich hatte noch nie ein Pferd getreten.
Glauben Sie wirklich, ich säße hier und unterhielte mich mit Ihnen, wenn ich die glückliche Empfängerin eines Huftritts gewesen wäre? Ganz eindeutig nein.
Aber ich kam mir so vor wie damals, als ich zehn war und von einer Mauer auf die von der Sommersonne hart wie Beton gebrannte Erde gefallen und genau auf dem Bauch gelandet war. Während mir mit einem Schlag die Luft wegblieb, hatte mich ein schreckliches Gefühl von Entsetzen und Übelkeit gepackt. Genauso kam ich mir jetzt wieder vor.
»Nicht weil ich dich nicht anrufen wollte«, fuhr er fort, ohne zu merken, welche Schmerzen ich durchlitt, »sondern weil ich glaubte, dass es für dich so am besten wäre.«
»Wie meinst du das?«, piepste ich und fühlte mich unendlich viel besser.
»Weil du in letzter Zeit so viel durchgemacht hast. Ich wollte dich in keiner Weise kränken oder dir noch mehr Schwierigkeiten machen.«
Du Engel!
»Du hast mich nicht gekränkt«, erwiderte ich.
»Offensichtlich doch«, sagte er.
»Aber nicht mit Absicht«, erklärte ich.
»Das weiß ich«, sagte er. »Deshalb habe ich auch vorhin die Beherrschung verloren – übrigens bitte ich dafür um Entschuldigung –, aber du schienst durch meine bloße Anwesenheit verärgert, gekränkt oder was auch immer zu sein.«
Wellen der Erleichterung überliefen mich.
»Es tut mir leid, dass ich schwierig war, aber …«
Hier holte ich tief Luft.
Was ich da tat, war ein bisschen riskant. Ich zeigte meine Gefühle offen.
»Es ist mir lieber, dich zu sehen, als dich nicht zu sehen«, brachte ich schließlich heraus.
»Tatsächlich?«, sagte er. Es klang hoffnungsvoll, erregt und jungenhaft.
»Ja.«
»Bist du sicher?«
»Absolut.«
»Vertraust du mir?«
»Oh, Adam«, sagte ich halb lachend, halb weinend. »Ich habe gesagt, dass ich dich sehen möchte. Von Vertrauen war keine Rede.«
»Gut«, sagte er und lachte ebenfalls. (Von Tränen keine Spur.) »Aber wirst du mir vertrauen, wenn ich dir sage, dass ich dich und nicht Helen sehen möchte?«
»Ja«, sagte ich feierlich. »Bestimmt.«
»Und wenn die Kassiererin mit einem Gast über das Wechselgeld streitet und einen Anfall kriegt und wegläuft, sodass ich stundenlang warten muss, bis ich meinen Kaffee bezahlen kann, wirst du nicht denken, dass ich mich durch die Hintertür davongeschlichen habe?«
»Nein«, versprach ich. »Das werde ich nicht tun.«
»Wir sind also Freunde?«, fragte er in sehr bittendem Ton.
»Ja«, nickte ich zustimmend. »Sind wir.«
Zwar sagte mein Gehirn: »Entschuldige mal, hast du da gerade Freunde gesagt? Ich glaube nicht, dass sich Freunde so verhalten, wie du das mit Adam vorhast. Laura ist deine Freundin, und der reißt du die Kleider nicht jedes Mal vom
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