Wassermelone: Roman (German Edition)
Alibi.
Täglich entdeckte ich mehr Gutes an Kate. Sie machte mein Leben immer lebenswerter. Ich kaufte ihr ein winziges wunderschönes Schürzchen aus Jeansstoff. Selbst das kleinste war ihr zu groß, aber sie würde schon hineinwachsen. Wirklich bezaubernd.
Außerdem kaufte ich ihr einen unglaublich süßen hellblauen Strampelanzug mit dunkelblauen Punkten und – denken Sie nur! – ein dazu passendes Reißverschluss-Jäckchen mit Kapuze. Jetzt würde sie nicht weiter auffallen, wenn sie ein paar coole Straßenkinder traf.
Und die Söckchen erst! Stundenlang könnte ich mich über die Söckchen auslassen, die wir für ihre ungemein winzigen rosa Füßchen gekauft haben. So winzig, flauschig, warm, weich und kuschelig.
Manchmal überkam mich die Zuneigung zu Kate so sehr, dass ich sie am liebsten fest an mich gedrückt hätte. Nur hatte ich Sorge, ihr weh zu tun.
Dann stöberten wir eine Weile in einem Buchladen herum. Sobald ich mich einer Buchhandlung auf hundert Meter nähere, beginnt mein Körper Adrenalin auszuschütten. Ich liebe Bücher. Fast so sehr wie Kleidungsstücke. Das will was heißen.
Schon wie sie sich anfühlen und riechen! Eine Buchhandlung ist für mich so etwas wie Aladins Schatzhöhle. Ganze Welten und viele verschiedene Leben finden sich gleich hinter dem Hochglanzumschlag. Man muss nur hineinsehen.
Die Welt und das Leben, in die ich einzutreten beschloss, gehörten einer gewissen Samantha, die offensichtlich »alles hatte«. Einen Palazzo in Florenz, ein Penthouse in New York, eine schicke kleine Stadtwohnung in der Nähe des Buckinghampalasts, mehr kostbare Juwelen, als man sich vorstellen kann, einen oder zwei Verlage, ein privates Düsenflugzeug, einen todschicken Freund, der irgendein Graf oder Herzog oder dergleichen war, das absolut unerlässliche dunkle Geheimnis und eine im Verborgenen liegende tragische Vergangenheit.
Jede Wette, dass sie eine lesbische Prostituierte gewesen war, bevor sich ihr Schicksal wendete! Es genügt keinesfalls, dass sie einfach eine Prostituierte war. Das reißt niemanden mehr vom Hocker. Da ist schon ein wenig mehr nötig, etwas mit Pep.
Das Thema Lesbierinnen war noch nicht zu Tode geritten. Die Leute konnten sich darüber noch ein bisschen aufregen.
Und was wird passieren, wenn niemand mehr die Brauen über Lesbierinnen runzelt? Schrecklicher Gedanke.
Wird man dann über Menschen schreiben, die es mit Tieren treiben? Über solche, die es mit Leichen treiben? Über Menschen, die es mit den Führungskräften von Werbefirmen treiben? Lauter ziemlich scheußliche und entsetzliche Aussichten.
Vermutlich hätte ich mir ein ›erbauliches Buch‹ kaufen können. Etwas von einer aus der Brontë-Sippe. Vielleicht sogar etwas von Joseph Conrad. Das ist immer ganz unterhaltsam.
Aber ich wollte etwas, das nicht übermäßig anstrengend war. Deswegen kaufte ich sicherheitshalber totalen Schwachsinn.
Als ich aus dem Buchladen kam, mein Kind und meinen Bestseller mit Goldprägung an mich gedrückt, kam ich zufällig an dem Café vorbei, in dem ich am Samstag zuvor mit Adam gewesen war. Ebenso zufällig hatte ich eine oder zwei Stunden totzuschlagen, und so setzte ich mich zufällig hinein. Eineinhalb Stunden später trat zufällig – na raten Sie mal – Adam ein.
Was für ein Zufall! Zu schön, um wahr zu sein?
Wenn das nicht göttliches Eingreifen war? Erklären Sie mir das mal, wenn Sie können.
Ich war nie besonders religiös, aber ich weiß, wann ich mich in Gottes Gegenwart befinde. Ich überzeuge Sie wohl nicht, was? Na schön, vielleicht sollte ich mit der Wahrheit herausrücken.
Ich hatte gewissermaßen eine kleine Hoffnung genährt, dass ich unter Umständen, wenn ich in die Stadt ginge, Adam dort treffen könnte.
Da er am Samstag in dem bewussten Café gewesen war und sich auch einige seiner Kommilitoninnen dort aufgehalten hatten, bestand eine gewisse Aussicht, dass er auch am Donnerstagnachmittag vorbeischauen würde.
Es ist allgemein bekannt, dass Studenten – soweit sie sich nicht gerade betrinken und Drogen nehmen – nichts anderes tun, als vor einer einzigen kalten Tasse Kaffee – für alle – halbe Tage an einem Kaffeehaustisch sitzen und mit dem Zucker spielen.
Unter Umständen habe ich mich länger an meinem Schokoriegel und Kännchen Tee festgehalten als unbedingt nötig. Manche Leute hätten vielleicht sogar gesagt, dass ich auf Adam wartete.
Wahrscheinlich darf ich es also weder als religiöse noch als metaphysische
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