Wassermelone: Roman (German Edition)
verstanden?«
»Ja«, sagte ich bekümmert. Ich muss zugeben, so wie Judy das sagte, klang es ausgesprochen falsch. Irgendwie hatte es aus James’ Mund sehr viel vernünftiger geklungen.
»Und jetzt sagt er, er will mit dir einen neuen Anfang machen, vorausgesetzt, du änderst dich?«, fuhr sie fort. »In welcher Hinsicht sollst du dich ändern?«
»Ach, du weißt schon«, murmelte ich. »Nicht mehr so viele Partys geben und auch nicht auf so viele Partys gehen. Gesetzter sein und mehr Rücksicht nehmen.«
»Ach so«, sagte sie aufgebracht. »Du sollst wohl genau so ein langweiliges Arschloch werden wie er? Der verdammte Scheißkerl hätte dich wohl am liebsten immer und überall unter seinem Spielverderber-Blick?«
Sie schwieg. Dann kam ihr ein weiterer Gedanke. »Du bist ja wohl nicht so vertrottelt, dass du diesen Blödsinn glaubst . Merkst du nicht, dass das ein uralter Trick ist?«
»Wieso?« fragte ich. Ich wollte es gar nicht hören.
»Er geht fremd. Er merkt, was für einen großen Fehler er gemacht hat. Er möchte dich zurückhaben, weil er dich in Wirklichkeit liebt – das kann jeder Dummkopf sehen –, aber er hat Angst, dass du nichts mehr von ihm wissen willst. Also tut er so, als wäre alles deine Schuld gewesen, damit du ein schlechtes Gewissen kriegst und dankbar bist, wenn er dich immer noch haben will, obwohl du dich so abscheulich aufgeführt hast. Und außerdem«, sagte sie, tief Atem holend, bevor sie wutentbrannt fortfuhr, »außerdem weiß ich zufällig, dass er lügt.«
»Ach?«, sagte ich. Mehr brachte ich nicht heraus.
»Ja«, sagte sie. »Michael hat es mir gesagt.«
Judys Freund, und zugleich ein guter Freund von James.
»Vor etwa einem Monat war er mit James in der Kneipe, wo sie ein paar Halbe kippen wollten. Wahrscheinlich sind es ein paar Dutzend Halbe geworden. Jedenfalls hat sich James volllaufen lassen und überhaupt nicht wieder aufgehört, von dir zu reden. Michael sagt, dass er total in dich verknallt ist und es immer war. Dass er dich schon immer mehr geliebt hat als du ihn und ständig Angst hatte, dich zu verlieren. Damit ist er nicht fertiggeworden. Daher hat er beschlossen, als das Kind kam und so weiter, das Handtuch zu werfen und sich mit Denise davongemacht. Offen gestanden konnte die ihr Glück nicht fassen, einen solchen Fang zu machen.«
»Ach so«, sagte ich ruhig. »Das ist interessant, denn George hat mir heute etwas ziemlich Ähnliches erzählt.«
»Ich kann nicht glauben, dass du es nötig hattest, dass George oder ich dir das sagen würde. Hast du nicht gewusst, dass James verrückt nach dir war? Und zugleich wusste er nie, ob er dich würde halten können.« Es klang ganz so, als wäre Judy zutiefst von mir enttäuscht.
»Und wie er dich immer manipuliert hat«, schäumte sie. »Wie er jede Situation ausnutzt, um dich zu unterdrücken. Er sagt dir, es ist deine Schuld, dass er dich sitzenlassen hat und dass er wieder geht, wenn du nicht spurst. Typisch!«
»Lass mich ’nen Augenblick über das Ganze nachdenken«, sagte ich.
»Na klar«, sagte Judy. Es klang ein wenig betreten. »Als ich vorhin gesagt hab, dass er ein langweiliger Scheißkerl ist, meinte ich nicht …«
»Schon in Ordnung«, sagte ich freundlich. »Du hast es gesagt, aber es spielt keine Rolle.«
»Du weißt doch, wie das ist«, fuhr sie fort. »In der Hitze des Augenblicks sagt man so manches.«
»Judy«, sagte ich. »Hör doch um Gottes willen damit auf. Ich muss die Sache klar sehen.«
»Tut mir leid, tut mir leid«, sagte sie. »Nur zu.«
»James hatte ein Verhältnis und sagt, es ist meine Schuld. Stimmt’s?«, fragte ich Judy.
»So hast du das gesagt«, stimmte sie zu.
»Er hätte sich bei mir entschuldigen müssen, hat es aber nicht getan. Stimmt’s?«
»So ist es«, sagte Judy.
»Er hat jeden davon überzeugt, dass er mich liebt. Außer mir. Stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Er hat mich verletzt, gedemütigt, verunsichert, vor allen unmöglich gemacht, mich belogen, meine Selbstachtung untergraben und verlangt, ich soll mich dafür entschuldigen, dass ich so bin, wie ich bin. Stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Und er ist nicht bereit, mich um Entschuldigung zu bitten oder zu trösten. Stimmt’s?«
»Stimmt.«
»So einen Mann brauche ich nicht. Stimmt’s?«
»Stimmt! Aber … äh … Claire, was willst du tun?«
»Den Scheißkerl umbringen.«
»Claire, sachte«, stotterte Judy.
»Lass gut sein«, seufzte ich. »Ich tu es nicht. Aber ich würg ihm eins rein,
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