Wassermelone: Roman (German Edition)
zu sein. Singend tänzelte sie die Treppe empor.
»Warte«, wollte ich ihr nachrufen. »Ich bin noch nicht fertig. Ich muss dich noch unendlich viel fragen.«
Aber sie ging ins Badezimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Dort sang sie unverdrossen weiter, war aber deutlich schwächer zu hören. Ich stand in der Diele, von Verzweiflung überwältigt, und kam mir vor wie eine große Idiotin.
Das Sprichwort hat schon recht: Niemand ist so närrisch wie ein alter Narr.
Ich darf mich damit jetzt nicht beschäftigen, sagte ich mir. Ich werde darüber nachdenken, wenn alles anders ist. Wenn ich glücklich bin und die Lage sich geklärt hat. Aber nicht jetzt.
Ich zwang mich, nicht mehr daran zu denken. Ich ging in die Kammer meines Gehirns, in der all meine Gedanken über Adam lebten, stellte den Strom ab und vernagelte Türen und Fenster mit Brettern, damit nichts hinein- oder hinausgelangen konnte.
Dort sah es ziemlich scheußlich aus. Es konnte nicht ausbleiben, dass Klagen von den benachbarten Gedanken kamen. Aber ich hatte keine Wahl. Ich versuchte, auf die eine oder andere Weise mit meiner Ehe ins Reine zu kommen, und konnte nichts brauchen, was mich davon ablenkte.
Endlich fand Mum die Autoschlüssel. Mit Kate stieg ich zu ihr ins Auto und ließ mich zum Flughafen fahren. Unterwegs redeten wir nicht miteinander. Ich spürte, dass es sie juckte, mich zu fragen, was eigentlich los war, aber sie hielt Gott sei Dank den Mund.
Es war wie ein Wunder, aber zeitweise brachte ich es tatsächlich fertig, die Gedanken an Adam abzustellen. Wahrscheinlich war ich so wütend auf James, dass in meinem Kopf einfach kein Platz mehr für etwas anderes war. In meinem ausverkauften Sorgentheater zerbrachen sich bereits Tausende und Abertausende von Gedanken den Kopf über James. Für solche, die gern noch Einlass gefunden hätten, um sich den Kopf über Adam zu zerbrechen, gab es nicht einmal mehr Stehplätze. Möglicherweise war das ungerecht, aber auch hier galt der Grundsatz, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Kate allein zu lassen war entsetzlich, aber sie mitzunehmen wäre nicht recht gewesen. Ich bin überzeugt, dass es sich katastrophal auf ein Kind auswirkt, wenn es mitbekommt, wie die Mutter den Vater umbringt.
In der Abflughalle gab ich Kate zum Abschied einen Kuss. »Bis bald, mein Schatz«, sagte ich. Dann umarmte ich meine Mutter.
»Darf ich dich was fragen?«, sagte sie besorgt und sah mich aufmerksam an, um zu sehen, ob ich vor Wut in die Luft ging.
»Nur zu«, sagte ich, bemüht, einen freundlichen Klang in meine Stimme zu legen.
»Ist James zu dieser Denise zurückgekehrt?«, fragte sie.
»Nicht dass ich wüsste.« Ich lächelte ihr bitter und beruhigend zu.
»Gott sei Dank«, sagte sie, erleichtert aufatmend.
Ach je. Arme Mum. Wenn sie nur wüsste. Über Denise machte ich mir keine Sorgen. Die Sorge, um die es hier ging, war weit umfangreicher als Denise. Das wollte wirklich etwas heißen.
Mal ehrlich – sollte man nicht glauben, dass ich inzwischen angefangen hatte zu vergessen und zu vergeben? War es nicht Zeit, dass ich aufhörte, Denise herunterzumachen? Es ist alles nicht so einfach.
Ich drehte mich auf meinen aufreizend hohen Absätzen um und stöckelte entschlossen quer durch die Abflughalle. Das war nicht einfach, da ich ständig mit allen möglichen Leuten zusammenstieß, die inmitten von Koffern und Reisetaschen lässig herumstanden und plauderten, wobei sie die Ellbogen auf ihre Gepäckwagen stützten, als hätten sie beliebig viel Zeit. Sie taten so, als wäre das gar kein Flughafen und niemand müsste eine Maschine bekommen. Jedenfalls keine, die im nächsten Jahrzehnt startete.
In aller Eile versuchte ich einen Flug nach London zu buchen. Es war unmöglich. Die umgängliche und außerordentlich gelassene Angestellte der Aer Lingus war lediglich bereit, mir zu gestatten, dass ich ihn auf lässige, entspannte Weise buchte.
Zwischen einem Gespräch über den russischen Präsidenten (ist nicht Alkohol eine Geißel der Menschheit?) und einer Plauderei über das Wetter (hoffentlich regnet es nicht gleich wieder) gelang es mir mit knapper Not, für einen Flug nach London, der demnächst starten würde, auf die Warteliste zu kommen.
Es gab keinerlei Probleme. Schade, denn es kam nicht oft vor, dass ich ausgesprochen schlecht gelaunt und imstande war, meinen Standpunkt selbst zu vertreten, auf meinem Recht zu beharren, Krach zu schlagen und so weiter. Das wäre eine ideale Gelegenheit
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