Wassermelone: Roman (German Edition)
dann erkannt, wenn sie mich angesprungen und gebissen hätten.
Aber ich musste mich konzentrieren, denn schon redete George weiter. »Merkwürdigerweise hat James immer geglaubt, du würdest mal ein Verhältnis anfangen, und jetzt hat er es getan.«
Ich konnte mir denken, worauf er hinauswollte. Immer hatte ich als diejenige gegolten, die über die Stränge schlug, in James hingegen sah alle Welt den Musterknaben. Dennoch fragte ich George, wie das zu verstehen sei.
»Weil du es ohne Partys nicht aushalten konntest«, erklärte er. »Du warst die Lebenslustige, auf die alle flogen. Außerdem«, fuhr er fort, »hat James immer gemeint, er wäre nicht gut genug für dich. Ständig hatte er Sorge, er wäre zu ernsthaft und langweilig für dich. Weißt du, wir Steuerberater haben es mit den Frauen nicht einfach. Sie finden uns nicht besonders aufregend – sollte man das für möglich halten?«
»Ich hatte gar nicht gewusst, dass James der Ansicht war, zu ernsthaft und langweilig für mich zu sein«, sagte ich schwach.
»Na, hör mal«, sagte George ungläubig. »Würdest du nicht selber sagen, dass von euch beiden du die Muntere und Lebenslustige bist?«
»Das schon«, stimmte ich zögernd zu, denn ich wollte unbedingt, dass er weitersprach.
»Zwar ist James eine Seele von Mensch«, fuhr George fort, »doch man kann von ihm ja nun wirklich nicht sagen, dass er ein Partylöwe ist und alle Leute zum Lachen bringt, oder?« Er lachte.
»Wohl nicht«, sagte ich. »Aber wenn ich etwas ruhiger wäre, müsste er sich vielleicht nicht so langweilig vorkommen.«
»Und welchen Sinn hätte das?«, rief George aus. »Dann wärst du nicht mehr du selbst.«
Das ist mir bekannt, dachte ich, aber genau das erwartet James von mir .
»Na ja, vielleicht sagt es ihm nicht zu, mit einem so unbeschwerten und lebhaften Menschen wie mir zusammenzuleben«, erklärte ich George. »Vielleicht bin ich ihm auf die Nerven gegangen.«Was ich tat, war unverzeihlich. Ich horchte George nach Strich und Faden aus, damit er die Geheimnisse seines Freundes ausplauderte.
»Das ist doch Quatsch«, sagte George lachend. »Natürlich bist du ihm nicht auf die Nerven gegangen. Sicher, manchmal ist es ihm schwergefallen. Aber das liegt an seinem Ego und seiner Unsicherheit. Es ist bestimmt nicht immer einfach, mit jemandem zusammenzuleben, der viel beliebter ist als man selbst.«
»Ich verstehe«, sagte ich matt. Und wissen Sie was? Ich glaube, ich hatte tatsächlich angefangen zu verstehen. Sollte ich George das sagen?
Ich konnte nicht mehr in mich aufnehmen, sonst würde mir der Kopf platzen. Ich musste unbedingt über all das nachdenken, was ich gerade gehört hatte. Also begann ich mich aus der Unterhaltung mit George herauszustehlen.
»Wie kommt es, dass du auf einmal ein solcher Fachmann für zwischenmenschliche Beziehungen bist?«, frotzelte ich. »Du bist ja ganz einfühlsam, so richtig Neuer Mann.«
»Ach, äh«, sagte er, zugleich verlegen und geschmeichelt. »Aisling hat mir ein Buch zu dem Thema geschenkt.«
»Ach so«, sagte ich. »Na, jedenfalls vielen Dank, George. Du hast mir sehr geholfen.«
»Das freut mich«, sagte er. »Alles wird sich wieder einrenken, du wirst schon sehen.«
Das wird es nicht, dachte ich.
»James hat deine Vitalität als Bedrohung empfunden (hier verwendete George den angelesenen Beziehungsjargon), anstatt zu begreifen, dass deine Lebhaftigkeit seine Gelassenheit ergänzen kann (der gleiche Jargon)«, sagte George, und es klang, als läse er es aus einem Psychologie-Lehrbuch ab.
»Aber du kannst an dieser Krise wachsen und« – leicht verlegene Pause – »die Parameter eurer Beziehung neu festlegen.«
»Toll, George«, sagte ich, darauf bedacht, das Gespräch zu beenden. Ich war nicht sicher, wie lange ich diese Unterhaltung noch ertragen konnte. »Du hast dich ja richtig mit deinen Empfindungen auseinandergesetzt.«
»Ja«, sagte er schüchtern. »Ich bin sogar dabei, meine feminine Seite zu erkunden.«
Normalerweise wäre diese Äußerung aus seinem Mund zum Brüllen gewesen, aber ich fühlte mich verwirrt und verängstigt.
»Es ist eine Freude, mit einem so einfühlsamen Mann zu reden«, sagte ich. »Du hast die Dynamik der Beziehung zwischen James und mir wirklich verstanden. Das könnte nicht jeder Mann.«
»Danke, Claire«, sagte er stolz. Ich konnte ihn fast über das ganze Gesicht strahlen hören. »Ich hab das Gefühl, dass ich ’ne ganze Menge gelernt hab. Und ich hab auch keine Angst
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