Wassermelone: Roman (German Edition)
Nacht verbringen würde, aber irgendwie war mir klar, dass es nicht in meinem Londoner Doppelbett mit James sein würde.
Es würde sich finden. Ich hatte mehrere frühere Freunde, die sich nie so recht mit ihrem Los abgefunden hatten. Zumindest hätte ich also ein Dach über dem Kopf. Und eine Erektion im Rücken.
Ich zog mich passend für den Anlass an. Das war das Mindeste. Dazu habe ich mich aber nicht etwa, wie Sie jetzt vielleicht annehmen, in einen Kampfanzug mit Stahlhelm und Tarnnetz voll Laub samt Munitionsgurt über der Brust geworfen. Nein, ich habe einen verführerischen kurzen schwarzen Rock angezogen, dazu eine schwarze Jacke, dünne Strümpfe und superhohe Absätze. Ich hätte auch noch ein schwarzes kesses Hütchen mit einem kleinen Schleier daran aufgesetzt, wenn ich eins gehabt hätte. Aber zum Glück hatte ich keins.
Ich wollte aussehen wie ein richtiges mieses Biest aus der Hölle. Im Rückblick vermute ich, dass der Hut übertrieben gewirkt hätte. Damit hätte ich lediglich ausgesehen wie eine von den feinen Witwen, die immer so dekorativ am Grab stehen und die von der ganzen Stadt gehasst werden, weil alle vermuten, dass sie ihren Mann umgebracht und das ganze Geld geerbt haben, das er der Gemeinde für den Bau eines neuen Krankenhauses hatte hinterlassen wollen.
Mum sah ein wenig erstaunt drein, als ich in so dramatischem Aufzug die Treppe herunterkam, hielt es aber nach einem Blick auf mein entschlossenes, wütendes Gesicht für besser, nichts zu sagen.
»Können wir?«, fragte ich.
»Ja«, sagte sie. »Ich muss nur noch die Autoschlüssel suchen.« Ich seufzte – das konnte Tage dauern.
Während sie von Zimmer zu Zimmer rannte, Handtaschen auf den Küchentisch ausleerte, Manteltaschen durchwühlte und mit sich selbst redete wie das weiße Kaninchen in Alice im Wunderland (es war doch das weiße Kaninchen, oder?), ging die Haustür auf, und Helen kam mit ihrem üblichen Pomp und Prunk herein.
»Stellt euch nur vor!«, rief sie.
»Was?«, fragte ich mürrisch und uninteressiert.
»Adam hat eine Freundin!« Alles Blut wich mir aus dem Gesicht, und mein Herz wäre fast stehen geblieben. Wovon sprach sie? War jemand hinter die Sache mit mir und ihm gekommen?
»Und wartet nur!«, fuhr Helen begeistert fort. »Er hat ein Kind!« Ich sah sie verständnislos an. War das ihr Ernst?
»Was für ein Kind?«, brachte ich heraus.
»Ein Menschenkind, ein kleines Mädchen«, sagte Helen aufgebracht. »Was hast du denn erwartet? Vielleicht ein Giraffenkind? Großer Gott, manchmal machst du mir Angst.«
In meinem Kopf drehte sich alles. Was hatte das zu bedeuten? Wann war das passiert? Warum hatte er mir nichts davon gesagt?
»Ja, ist es denn ein neues Kind, oder wie?«, fragte ich. Ich gab mir keinerlei Mühe, die Verzweiflung in meiner Stimme zu unterdrücken, aber mit ihrer üblichen Empfindsamkeit schien Helen das nicht zu merken.
»Glaub ich nicht«, sagte sie. »Sie ist anders als Kate. Sie hat Haare und sieht nicht aus wie ein alter Mann.«
»Kate sieht nicht aus wie ein alter Mann«, sagte ich hitzig.
»Na klar«. Helen lachte. »Sie ist kahlköpfig, dick und hat keine Zähne.«
»Hör bloß auf«, sagte ich böse. »Sie kann dich hören. Kleine Kinder verstehen, was man sagt. Sie ist schön.«
»Mach dir bloß nicht ins Hemd«, sagte Helen herablassend. »Ich weiß wirklich nicht, warum du so gereizt bist.«
Ich sagte nichts. Das war ein entsetzlicher Schlag.
»Es war zum Brüllen komisch«, fuhr Helen fort. »Adam hat seine Freundin und das Kind mit an die Uni gebracht, und jetzt behauptet die Hälfte der Studentinnen, sie wollen sich umbringen. Die Prüfung bei Professorin Staunton kann er sich natürlich auch abschminken. Wie die ihn angesehen hat! Ich schwöre dir, sie hasst ihn.«
»Ja, äh, habt ihr denn seine Freundin vorher noch nicht gesehen?« , fragte ich. Ich versuchte, die Sache zu verstehen. Hatte er mich an der Nase herumgeführt und in Wirklichkeit etwas mit ihr gehabt? So musste es sein. Man kann ja nicht einfach in einen Supermarkt gehen und da ein Kleinkind mit Haaren auf dem Kopf kaufen. So etwas braucht seine Zeit.
»Nein, wir kannten sie nicht«, sagte Helen. »Sie hatten, wie es heißt, vor ewigen Zeiten einen gewaltigen Krach. Er selber hatte sie und das Kind lange nicht gesehen. Aber jetzt sind sie wieder zusammen.«
Helen begann aus Leibeskräften irgendein widerliches Lied darüber zu trällern, wie schön es ist, erneut mit dem Geliebten beisammen
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