Wassermelone: Roman (German Edition)
mehr zu weinen.«
»Gut, gut«, sagte ich munter und fürchtete, er könnte es mir an Ort und Stelle beweisen wollen.
Wie kann ich das Gespräch nur beenden, ohne ihm den Eindruck zu vermitteln, als interessierte mich sein Fortschritt auf Gefühlsebene nicht, überlegte ich verzweifelt. Ich merkte, dass ich ihm eine weitere Frage stellte.
»Kümmerst du dich auch um dein inneres Kind, hegst und pflegst du es?«, fragte ich mit sanfter Stimme.
»Äh, was?«, fragte er verwirrt. Ich hatte ihn ausgetrickst. Aisling hatte ihm den zweiten Band noch nicht geschenkt. »Ich hab keine Kinder, Claire, das weißt du doch.«
»Na klar«, sagte ich freundlich. Es hatte keinen Sinn, ihn zu sehr zu bedrängen und damit alle von Aisling gelegten Grundlagen zu zerstören.
»George«, unterbrach ich schroff seine geradezu lyrische Schilderung dessen, wie gut es sich für James ausgewirkt hatte, dass er seinem Rat gefolgt war, und wie glücklich James und ich künftig sein würden …
»George«, wiederholte ich ein wenig lauter, weil ich wollte, dass er mir zuhörte. »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, sagte ich. »James liebt mich. Er hat mich immer geliebt. Er hat sich unsicher gefühlt und gefürchtet, er könnte zu langweilig für mich sein. Hab ich das richtig verstanden?«
»Aber das weißt du doch alles selbst«, sagte George. Es klang verwirrt.
»Ich frage nur zur Sicherheit«, sagte ich leichthin.
George plapperte unaufhörlich weiter. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber war es möglich, dass er über eine »männliche Periode« sprach?
Ich konnte ihm kaum zuhören, schließlich musste ich mir den Kopf über wichtigere Dinge zerbrechen.
Warum hatte James zu George gesagt, er liebe mich leidenschaftlich und fürchte mich zu verlieren, zu mir aber, er wolle mich aus reiner Herzensgüte wieder bei sich aufnehmen, obwohl es fast unmöglich sei, mit mir zu leben?
Ein Blinder konnte sehen, dass eine leichte Unstimmigkeit zwischen den beiden Versionen bestand. James hatte entweder George oder mich belogen.
Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ich das Opfer seiner Unaufrichtigkeit war. Ich musste mit ihm sprechen. Das musste ich genau wissen.
»George«, sagte ich, ihn erneut unterbrechend, »ich muss mit James sprechen. Sagst du ihm bitte, dass er mich anrufen soll? Es ist wichtig.«
»Wird gemacht«, versprach er. »Er müsste etwa in einer halben Stunde zurück sein.«
»Danke«, sagte ich. »Bis dann.« Ich legte auf.
Ich versuchte zu verstehen, was mir George unwissentlich mitgeteilt hatte. James hatte also immer mich geliebt und sich dadurch bedroht gefühlt, dass ich … nun, dass ich ich war. Besser kann ich es nicht sagen.
Musste er deswegen etwas mit einer anderen anfangen? Und warum sagte er mir dann, alles sei meine Schuld? Warum sagte er mir, ich müsse mich grundlegend ändern, wenn unsere Ehe eine Zukunft haben sollte?
Ich war nicht sicher, was da gespielt wurde. Aber eins wusste ich: Irgendetwas stimmte nicht.
33
U m mich zu vergewissern, rief ich Judy an.
»Claire!«, sagte sie. Es klang begeistert. »Bist du wieder in London?«
»Noch nicht«, sagte ich kläglich. Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, platzte ich heraus: »Ich muss unbedingt mit dir reden.«
»Nur zu«, sagte sie. »Fehlt dir was? Du klingst ein bisschen aufgeregt.«
»Bin ich auch, aufgeregt und verwirrt«, sagte ich. »Ich weiß nämlich nicht, was gespielt wird.«
»Was wo gespielt wird?«, fragte sie freundlich.
»Du weißt doch, dass James und ich uns wieder vertragen haben«, begann ich.
»Ja«, sagte sie.
»Wusstest du schon, dass ich schuld an dem Verhältnis war, das James mit Denise angefangen hat?«
»Wie in Dreiteufelsnamen kommst du darauf?«, fragte sie entsetzt.
»Das hat er mir gesagt. Er hat mich als unreif und egoistisch hingestellt, als jemand, der Ansprüche stellt und keine Rücksicht auf andere nimmt. Nur unter der Bedingung, dass ich mich grundlegend ändere, will er es noch einmal mit mir versuchen.«
»Augenblick mal. Hat er gesagt, er will mit dir einen neuen Versuch machen?«, fragte Judy ungläubig. »Da stimmt doch was nicht.« Wenn Judy das auch so sah, bildete ich es mir nicht ein. Aber ich war nicht sicher, ob ich darüber erleichtert sein sollte oder nicht.
»Können wir noch mal von vorne anfangen?«, fragte Judy. »James hat also gesagt, er musste fremdgehen, weil das Zusammenleben mit dir so schwierig war. Hab ich das richtig
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