Wassermelone: Roman (German Edition)
schlecht behandeln – nun, ich würde das nicht zulassen, aber Sie verstehen schon, was ich meine –, nur gab das niemandem irgendein Recht.
Was für eine Frechheit George sich da herausnahm! Dabei hatte ich ihn immer gemocht.
Aber er reagierte nicht auf mein ›tatsächlich?‹ und schien überhaupt nicht davon gekränkt zu sein. Gutmütig fuhr er fort: »Ich bin kein Fachmann für Beziehungen, aber ich freue mich, dass ihr beiden diese üble Geschichte bereinigt habt. Ich kann nur sagen, es war sehr anständig von dir, ihm zu verzeihen. Es muss furchtbar für dich gewesen sein. Aber vermutlich hast du gemerkt, wie sehr er leidet, als du seinen Zustand gesehen hast – fast wie eine Leiche auf Urlaub, was?«
Ich spürte, wie sich in meinem Kopf vor Verwirrung alles drehte. Was wurde da gespielt? Machte sich George etwa doch über mich lustig?
Ich war mir nicht sicher, denn was er sagte, klang aufrichtig.
Wenn er mich aber nicht verspottete, wovon zum Teufel sprach er dann? Und was meinte er mit ›Leiche auf Urlaub?‹ Sprachen wir über denselben James? Denselben scheinheiligen, selbstgerechten James, der nach Dublin gekommen war, um sich mit mir auszusprechen?
Doch bevor ich meine verwirrten Gedanken ordnen konnte, fuhr George schon fort. Er war in der Stimmung zu reden. Die Langeweile des Freitagnachmittags und das viele Bier zum Mittagessen hatten ihm, wie es schien, die Zunge gelöst.
»Ich hoffe nur, Claire«, sagte er mit gespielter Strenge, »dass du vernünftig warst und ihm nicht sofort verziehen hast. Hoffentlich hast du zumindest ein paar größere Schmuckstücke und einen Urlaub auf den Malediven aus ihm rausgeholt.«
Macht der Witze?, fragte ich mich, völlig durcheinander. Ich kann von Glück reden, dass er mich überhaupt wieder haben wollte. Fast hätte ich ihm den Schmuck und den Urlaub versprechen müssen.
»Äh …«, sagte ich. Aber George war nicht zu bremsen.
»Er liebt dich so sehr und war überzeugt, dass er keine Aussichten hatte, weißt du das? Er war sicher, dass du mit ihm nichts mehr zu tun haben wolltest. Und wer könnte dir daraus einen Vorwurf ma …?«
»George!«, fiel ich ihm mit Nachdruck ins Wort. Ich musste dahinterkommen, was da gespielt wurde. »Wovon redest du eigentlich?«
»Von James«, sagte er überrascht.
»Du meinst, er hat unter der Trennung gelitten?«, fragte ich.
»So kann man das auch sagen«, sagte George mit einem Lachen. »Mit ›fix und fertig‹ wäre sein Zustand meiner Ansicht nach aber besser beschrieben.«
»Aber woher willst du das wissen?«, fragte ich schwach und überlegte, aus welcher Quelle George seine Informationen beziehen mochte. Offensichtlich hatte man ihm etwas Falsches berichtet.
»Von James«, sagte er. »Wir reden gelegentlich miteinander, musst du wissen. Ihr Frauen habt nicht das Monopol auf offenen und rückhaltlosen Meinungsaustausch!«
»Ja, aber … Ich meine, bist du sicher?«
»Na klar«, sagte er entrüstet. »Die Vorstellung, ohne dich zu leben, hat ihn gequält. Immer wieder hat er zu mir gesagt: ›George, ich liebe sie so sehr. Wie kann ich es anstellen, dass ich sie zurückbekomme?‹ Und ich hab ihm geraten: ›Sag ihr die Wahrheit. Sag, dass es dir leidtut.‹ Er hat mich mit seinem Gerede verrückt gemacht!«
»Stimmt das?«, stammelte ich. Mehr brachte ich nicht heraus. Mir schwirrte der Kopf. Das passte nicht im Entferntesten zu dem, was wirklich vorgefallen war. Was wurde gespielt?
»Ich weiß, dass es für dich sehr schwer gewesen sein muss«, fuhr George in mitfühlendem Ton fort. »Aber für James war es das auch. Du weißt doch, dass er es nicht haben kann, wenn er im Unrecht ist. Ehrlich gesagt, kommt es ja auch selten vor. Daher ist es für ihn wohl fast unmöglich zuzugeben, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat, und sich dann dafür zu entschuldigen. Andererseits bin ich sicher, dass du sein ›tut mir leid‹ schon nicht mehr hören kannst.« Wieder lachte er brüllend.
Inzwischen war ich sicher, dass sich George nicht über mich lustig machte. Er schien nicht darauf aus zu sein, mir einen ausgeklügelten und grausamen Streich zu spielen, sondern ernst zu meinen, was er sagte. Doch ich konnte nicht verstehen, warum seine Darstellung der Ereignisse so deutlich von der abwich, die ich von James kannte.
Weit davon entfernt, der Worte ›tut mir leid‹ überdrüssig zu sein, hätte ich sie nur allzu gern gehört. Vermutlich hätte ich diese Worte von James’ Lippen nicht einmal
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