Wassermelone: Roman (German Edition)
Rasen schon selbst.«
»Nein, Jack, wir bezahlen ihn dafür, also soll er es auch tun. Wie kommt er dazu, mir diesen Blödsinn über das Gras und die Keime zu erzählen! Er muss mich für eine richtige Idiotin halten.«
»Schon gut, schon gut, ich red mit ihm!«
»Vielleicht sollten wir einfach das Ganze zubetonieren. Dann könnten wir ihn entlassen.«
Aber Dad ›redete‹ nie mit Michael. Zufällig bekam ich mit, dass er an dem Tag, als Mum nach Limerick gefahren war, um Tante Kitty zu besuchen, den Rasen selbst mähte und sie später schamlos belog.
Von Zeit zu Zeit fragte Helen Mum, ob sie auch ihr die mit Schokolade überzogenen Jaffa-Kekse mit Orangenfüllung kaufen würde, die Michael bekam, wenn sie verspräche, nie den Rasen zu mähen.
Helen hatte recht. Falls der Platz vor dem Haus voller Säuglingsflecken (entsetzliches Wort) wäre, würde Michael tatsächlich wegen der Schweinerei toben. Aber so weit würde es nicht kommen. Andererseits, wenn Kate nicht bald zu schreien aufhörte, würde ich es mir vielleicht doch noch anders überlegen.
»Nein, Helen«, erklärte ich meiner Schwester. »Ich leide nicht an nachgeburtlicher Depression. Vermutlich nicht. Jedenfalls noch nicht.«
Grundgütiger! Das hätte mir noch gefehlt. Aber bevor ich ihr sagen konnte, dass James mich verlassen hatte, kam Dad ins Zimmer. Wenn die Zahl der Besucher weiter so anwuchs, würden wir einen Teil der Möbel auf den Treppenabsatz räumen müssen.
»Hijack«, riefen Helen und ich wie aus einem Munde. Er nahm den Gruß mit einem Lächeln entgegen und neigte den Kopf. Er hieß nämlich mit Vornamen Jack. In den frühen Siebzigern, als Flugzeugentführungen die große Mode waren (inzwischen ist der Kindesmissbrauch an ihre Stelle getreten), hatte ihn ein Onkel aus Amerika mit den Worten »Hi Jack !« begrüßt, und wir Kinder mussten natürlich an Hijacker denken. Seither war das unser Gruß für ihn, der unfehlbar ein Lächeln auf seine Züge zauberte.
»Ich bin gekommen, um mein erstes Enkelkind zu sehen«, verkündete er. »Darf ich die Kleine mal halten?«
Ich gab ihm Kate, und er hielt sie, wie es sich gehört. Schlagartig hörte sie auf zu schreien, lag zufrieden in seinen Armen, ballte die Fäustchen und streckte ihre Finger aus wie kleine Seesterne.
Ganz die Mutter, dachte ich betrübt – Wachs in den Händen eines Mannes.
Das würde ich im Keim ersticken müssen. Ein bisschen Selbstachtung, kleine Kate! Du bist nicht auf einen Mann angewiesen, um glücklich zu sein! Andere Mütter mochten ihren kleinen Mädchen Geschichten von Lokomotiven vorlesen, die reden können, und von Wölfen, die ihre verdiente Strafe bekommen – ich würde meinem Kind feministische Kampfschriften vorlesen, beschloss ich. Statt der Kleinen Meerjungfrau war der Weibliche Eunuch angesagt.
»Wann gibst du ihr einen Namen?«, fragte mein Vater.
»Hab ich grade getan«, sagte ich. »Sie heißt nach Oma.«
Mein Vater strahlte.
»Hallo, kleine Nora«, sagte er mit einer Singsang-Kinderstimme zu dem kleinen rosa Bündel in seinen Armen. Helen, Mum und ich tauschten bestürzte Blicke. Es war die falsche Oma!
»Äh, Dad, nein«, sagte ich unbehaglich. »Ich hab sie Kate genannt.«
»Aber so heißt meine Mutter nicht«, sagte er und sah verwirrt drein.
»Weiß ich, Dad«, sagte ich stockend. (Gott im Himmel, warum war das Leben so voller tückischer Fallen?) »Ich hab sie nach Oma Maguire genannt, nicht nach Oma Walsh.«
»Ach so«, sagte er ein wenig frostig.
»Aber ich werde sie mit zweitem Namen Nora nennen«, versprach ich ein wenig kriecherisch.
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«, fiel mir Helen ins Wort. »Gib ihr einen schönen Namen. Ich weiß! Wie wär’s mit Elena? Das ist griechisch und heißt Helen.«
»Halt dich da raus, Helen«, sagte Mum. »Es ist Claires Kind.«
»Du hast immer gesagt, wir sollen alles Spielzeug miteinander teilen«, schmollte Helen.
»Kate ist kein Spielzeug«, seufzte Mum.
Helen war wirklich anstrengend. Da sie aber die Aufmerksamkeitsspanne eines Kochtopfs hatte, also gar keine, wandte sie sich sogleich anderen Dingen zu.
»He, Dad, kannst du mich zu Linda bringen?«
»Helen, ich bin kein Chauffeur«, gab mein Vater knapp und ruhig zurück.
»Danach hab ich nicht gefragt. Ich weiß, wovon du lebst. Ich wollte wissen, ob du mich irgendwo hinbringen kannst«, sagte Helen, die so tat, als könne sie durchaus vernünftig sein.
»Du kannst ohne Probleme zu Fuß gehen!«, rief mein Vater. »Ich
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