Wassermelone: Roman (German Edition)
ihr Mann oder eine ihrer Töchter sagte, sie hätten Hunger, führte sie sie schweigend an der Hand in die Küche und sagte: »Der Gefrierschrank ist voll von Fertiggerichten.« Dann riss sie die Tür weit auf, um die zahlreichen Köstlichkeiten zur Geltung kommen zu lassen. Anschließend führte sie den Betreffenden auf die andere Seite der Küche und sagte: »Und hier ist die Mikrowelle. Freunde dich gut mit diesen beiden Geräten an. Es sind deine besten Verbündeten im Kampf gegen den Hunger in diesem Hause.«
Jetzt verstehen Sie hoffentlich, warum ich so zögerte, die mir von meiner Mutter angebotene Suppe anzunehmen.
Doch das Fantastische daran, dass Mum weder kochte noch Hausarbeit verrichtete, war, dass sie viel Zeit für die wahrhaft wichtigen Dinge im Leben hatte. Tagtäglich sah sie sich durchschnittlich sechs Seifenopern im Fernsehen an und las pro Woche rund vier Romane – was sie in den Stand versetzte, ihren Töchtern fachkundige Ratschläge zu geben, wenn deren Liebesbeziehungen in die Brüche gingen.
Liebestragödien waren ihr nicht fremd, schon gar nicht australische. Beispielsweise war sie dabei, als Skip (unehelicher Sohn von Brad und einer Krankenschwester, mit der er etwas hatte, als er in Vietnam war) Bronnie heiratete (Halbschwester von Wayne und Scott), diese schwanger wurde und Skip mit Crissie ein Verhältnis anfing. Natürlich kam Jeannie (Crissies Stieftochter) dahinter und erzählte Mrs. Goolagong davon (die mit niemandem verwandt war). Mrs. Goolagong stellte Skip bei ein paar Dosen Bier und Knabberzeug im Restaurant Billy Can zur Rede. Dabei zeigte sich, dass sich Skip durch die Schwangerschaft ausgeschlossen fühlte und Bronnie über nichts anderes reden konnte als über das Kind. Mrs. Goolagong beruhigte ihn. Skip machte mit Crissie Schluss, versöhnte sich mit Bronnie, Bronnie bekam ein wunderschönes Kind, das sie Shane nannte, und Crissie kehrte mit ihrem Hund Bruce in den Norden des Landes zurück. (Ich glaube, Mrs. Goolagong verlor anschließend ihren Job im Billy Can wegen der obengenannten Dosen Bier und des Knabberzeugs während der Arbeitszeit, aber das ist eine andere Geschichte).
Wir saßen in meinem Zimmer, in dem es allmählich dunkel wurde, und hörten zu, wie die Kleine zufrieden atmete.
»Sie ist wunderschön«, sagte Mum.
»Ja«, sagte ich und begann lautlos zu weinen.
»Was ist passiert?«, fragte Mum.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich dachte, alles wäre in Ordnung. Ich dachte, er freute sich ebenso auf das Kind wie ich. Natürlich war die Schwangerschaft auch für ihn nicht einfach. Mir war ständig übel, ich bin dick geworden, und wir sind kaum je miteinander ins Bett gegangen. Aber ich hatte gedacht, er würde das verstehen.«
Mum war wirklich lieb. Sie fing nicht an, mir all den Unsinn zu erzählen, dass Männer … nun ja … sie sind anders als wir, mein Kind. Sie haben … Bedürfnisse … mein Kind, wie die Tiere. Sie kränkte mich nicht mit dem Verdacht, James habe das Weite gesucht, weil wir während meiner Schwangerschaft nicht miteinander ins Bett gegangen waren.
»Was soll ich nur tun?«, fragte ich, obwohl mir klar war, dass sie ebensowenig eine Antwort darauf wusste wie ich.
»Du musst es irgendwie hinter dich bringen«, sagte sie. »Mehr kannst du nicht tun. Versuch nicht, einen Sinn darin zu sehen, damit machst du dich bloß verrückt. Der einzige Mensch, der dir sagen kann, warum er dich verlassen hat, ist er selbst, und wenn er nicht mit dir reden will, kannst du ihn nicht dazu zwingen. Vielleicht versteht er es selbst nicht. Aber seine Gefühle kannst du nicht ändern. Wenn er sagt, dass er nicht mehr dich liebt, sondern diese andere, musst du das hinnehmen. Vielleicht kommt er wieder, vielleicht auch nicht, aber du musst damit fertigwerden, so oder so.«
»Aber es tut so weh«, sagte ich hilflos.
»Weiß ich«, sagte sie betrübt. »Und wenn ich dafür sorgen könnte, dass es weggeht, ich täte es, das weißt du.«
Ich sah auf meine kleine Tochter hinab, die so friedlich, so unschuldig, so sicher und so glücklich schlief, und spürte unsäglichen Kummer. Ich wollte, dass sie immer glücklich war. Ich wollte sie unaufhörlich an mich drücken und nie loslassen. Auf keinen Fall sollte sie je die Zurückweisung, die Einsamkeit und Erschütterung spüren, die ich in diesem Augenblick empfand. Ich wollte sie immer vor Schmerzen bewahren. Aber dazu würde ich nicht imstande sein. Das Leben würde für genug Kummer sorgen.
In dem
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