Wassermelone: Roman (German Edition)
die da noch Schlaghosen und Plateausohlen tragen müssen?«, hatten wir mit vor Entsetzen geweiteten Augen gefragt. Margaret hingegen, die schon immer sehr praktisch veranlagt war, wollte wissen, was man im Tausch gegen ein Päckchen Kaugummi bekam. »Wie viele Päckchen würde mich ein Haus kosten?« Mal ehrlich, das Mädchen hatte den vollen Durchblick). Anna hatte bei einer Verlosung in der Kirchengemeinde des Heiligen Vincent de Paul eine Flasche gelb schillernden Bananenschnaps gewonnen, und irgendjemand hatte Aprikosenlikör mitgebracht.
Nach und nach wuchs unsere Sammlung von Alkoholika an. Da meine Eltern nur wenig tranken und wir Kinder noch nicht angefangen hatten, quoll unsere Bar über. Doch diese glücklichen Tage waren dahin.
Bedauerlicherweise hatte ich mit etwa fünfzehn Jahren die Wonnen des Trinkens entdeckt. Rasch merkte ich, dass mein Taschengeld zur Befriedigung dieser neuen Leidenschaft nicht ausreichte, und so brachte ich manche Stunde damit zu, aus den verschiedenen Flaschen in der Wohnzimmerbar kleine Mengen abzuzapfen, wobei ich immer aufpassen musste, dass keiner kam.
Für meine Mischung nahm ich eine leere Limonadenflasche. Da ich fürchtete, es könnte auffallen, wenn ich aus einer einzelnen Flasche zu viel herausnahm, zapfte ich aus mehreren Flaschen jeweils wenige Tropfen und mischte alles in der einen Limonadenflasche, ohne mir groß Sorgen um den Geschmack des Ergebnisses zu machen. Mir lag in erster Linie an einem Rausch. Wenn ich etwas trinken musste, das abscheulich schmeckte, um dieses Ziel zu erreichen, war ich dazu bereit.
So verbrachte ich manch glücklich trunkene Stunde in irgendeiner Disco, deren Besuch ich den Eltern abgetrotzt oder bei ihnen erschlichen hatte, nachdem ich mir eine Mischung aus (sagen wir mal) Sherry, Wodka, Gin, Korn und Vermouth eingeflößt hatte (der Vermouth stammte von Tante Kitty, sie hatte ihn auf ihrer Romreise gekauft). Es waren herrliche, unwiederbringliche Tage.
Um peinlichen und unangenehmen Szenen mit meinen Eltern aus dem Weg zu gehen, ersetzte ich, was ich einer Flasche entnommen hatte, jeweils durch die entsprechende Menge Wasser. Nichts konnte reiner sein, nahm ich an.
Doch so, wie gewisse empfindliche Pflanzen eingehen, wenn man ihnen zu viel Wasser gibt, ist es bei einer Reihe von Getränken. Insbesondere eine Flasche Wodka wässerte ich zu stark.
Irgendwann kam der Tag der Abrechnung. Eines Samstags abends, ich war etwa siebzehn, hatten unsere Eltern die Kellys und die Smiths auf einen Drink eingeladen. Mum und Mrs. Kelly tranken gern Wodka, doch war dank meiner Bemühungen im Verlauf der letzten rund achtzehn Monate das, was einst Smirnoff gewesen war, inzwischen annähernd hundert Prozent reinstes, unverfälschtes Wasser ohne die geringste Spur von Alkohol.
So glaubten die beiden lediglich, in ihren Gläsern befinde sich Wodka, wohingegen die übrigen Teilnehmer an der Runde das Glück hatten, richtigen Alkohol zu erwischen.
Während Dad, Mr. Kelly und das Ehepaar Smith immer lauter, röter und lebhafter wurden und über Dinge lachten, die nicht im Geringsten lustig waren, und Dad allen erklärte, dass er keineswegs alles, was er verdiente, der Steuer angab, und das Ehepaar Smith verriet, Mr. Smith habe im Vorjahr ein Verhältnis gehabt, sodass sie sich beinah getrennt hätten, sich inzwischen aber wieder gut vertrügen, saßen Mum und Mrs. Kelly als Einzige steif und mit versteinertem Gesicht da und lächelten verkniffen.
Auch als Mrs. Smith ihr Glas Bacardi mit Cola auf dem guten Wohnzimmerteppich verschüttete (ich mochte Bacardi nicht, und daher hatte sein Alkoholgehalt noch fast den ursprünglichen Wert), fand meine Mutter das überhaupt nicht lustig, mein Vater hingegen lachte schallend darüber. Kurz gesagt machte die allgemeine Heiterkeit vor den Wodkatrinkerinnen halt.
Am nächsten Tag fiel bei Mum der Groschen. Sie ließ sich die Wodkaflasche bringen und unterzog sie verschiedenen Prüfungen. (Das ging in etwa so vor sich: »Hier, riech mal. Wonach riecht das deiner Ansicht nach?« »Nach nichts, Mum.« »Genau!« )
Die Untersuchungsergebnisse eines in der Küche eingerichteten forensischen Behelfslabors zeigten, dass sich jemand an der Wodkaflasche zu schaffen gemacht haben musste, und zwar mehrfach.
Es kam zu einer tränenreichen Szene zwischen mir und meinen Eltern. Zumindest Mum weinte ausgiebig. Allerdings Tränen des Zorns und der Beschämung. »Diese Schande«, klagte sie. »Da lädt man Leute ein, bietet
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