Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
Schuh in seinem Wagen gefunden und fuhr jetzt wie der Prinz aus Aschenputtel von Haus zu Haus, um herauszubekommen, welcher der jungen Frauen, die er im Laufe der Nacht gefahren hatte, der Schuh passte. Sein Aschenputtel hieß Anna.
    Sie dankte ihm überschwenglich. Der Mann fuhr davon. Anna ging wieder ins Bett. Mein Vater ging zur Arbeit. Ich schloss die Augen. Kate begann zu weinen. Ich auch.

6
    E s war nass und windig. Ich war unglücklich. In den ersten beiden Wochen nach meiner Heimkehr regnete es jeden Tag. Angeblich der nasseste Februar seit Menschengedenken.
    Mitten in der Nacht wurde ich wach und hörte Regentropfen. Sie schlugen gegen die Scheiben und trommelten auf das Dach.
    Das Wetter machte allen zu schaffen.
    Da ich ohnehin schon zum Selbstmord neigte, hob das Wetter meine Stimmung eher ein wenig. Es kam mir vor, als gleiche das Schicksal damit mein unglückliches Dasein dem glücklichen Leben aller anderen Menschen ein wenig an.
    Anna und Helen hingen trübselig im Haus herum, sahen sehnsuchtsvoll aus dem Fenster und fragten, ob es je aufhören werde zu regnen.
    Meine Mutter sprach düster davon, dass wir eine Arche bauen müssten.
    Mein Vater versuchte auf dem überfluteten Golfplatz zu spielen, obwohl er bis zu den Knien im Wasser stand.
    Mir als Einziger machte der unaufhörliche Regen nichts aus. Er passte hervorragend zu meiner Gemütsverfassung.
    Mir war es gleichgültig, ob ich das Haus verlassen konnte oder nicht.
    Ich wäre selig gewesen, es nie wieder verlassen zu können.
    Ich verbrachte Stunden damit, auf meinem Bett zu liegen und ins Leere zu starren, während Kate in ihrem Bettchen neben mir schlief, der Regen an die Scheiben prasselte und aus dem Garten ein Schlammloch machte.
    Jeden Morgen kam Mum mit Schwung in mein Zimmer, riss die Vorhänge zurück, sodass das Fenster den Blick auf einen weiteren grauen, nassen Tag freigab, und fragte: »Na, was hast du heute vor?«
    Mir war klar, dass sie mir durch ihre künstliche Munterkeit lediglich aus meinem Tief helfen wollte, und ich versuchte fröhlich zu sein. Wäre ich doch nur nicht ständig so entsetzlich müde gewesen!
    Dann bot sie mir an, mein Frühstück zu machen. Sobald sie aus dem Zimmer war, schleppte ich mich ans Fenster und zog die Vorhänge wieder zu.
    Kate allerdings habe ich nicht vernachlässigt, wirklich nicht.
    Na ja, vielleicht doch.
    Es gereicht mir zur ewigen Schande, dass Mum sie zum Kinderarzt fuhr und im Supermarkt Berge von Höschenwindeln, Säuglingsnahrung, Hautcreme, Talkumpuder, Flaschensterilisierer sowie alles andere holte, was Kate so brauchte.
    Fairerweise muss ich sagen, dass ich Kate nicht vollständig vernachlässigte. Ich kümmerte mich in anderer Weise um sie. Ich fütterte, wickelte und badete sie, und ich sorgte mich um sie. Manchmal spielte ich sogar mit ihr. Dinge aber, für die ich das Haus hätte verlassen müssen, schien ich für sie nicht tun zu können. Nicht weil ich Kate nicht geliebt hätte. Ich liebte sie mehr als alles auf der Welt. Es gibt nichts, was ich nicht für sie getan hätte (außer, wie schon gesagt, das Haus verlassen). Aber für mich selbst schien ich nicht die geringste Energie übrig zu haben.
    Schon mich anzuziehen war eine so gewaltige Unternehmung, dass ich es nie fertigbrachte. Die wenigen Male, die ich wenigstens aus dem Bett kam, trug ich über Mums Nachthemd einen von Dads Golfpullovern und dazu ein Paar Wandersocken. Ich hatte ernsthaft vor, mich richtig anzuziehen. Später.
    Sobald ich Kate gefüttert habe, sagte ich immer.
    Danach aber war ich jedes Mal so erschöpft, dass ich mich eine Weile hinlegen und ein bisschen in der Illustrierten Hello lesen musste.
    Es war ein Hinweis auf das Ausmaß meiner Erschöpfung, dass ich in einem Haus zu leben bereit war, in dem sich ein Exemplar dieses Blattes befand. Ich konnte mich kaum auf das Lesen konzentrieren. Ich sah mir die Fotos obskurer und entfernter Angehöriger der königlichen Familie an, die in ihren ›luxuriösen Landsitzen‹ gemacht worden waren, und fragte mich, ob sie wohl glücklich waren, und was für ein Gefühl das sein mochte.
    Dann überlegte ich träge, dass niemand glücklich sein konnte, der in einem Haus mit derart scheußlichen Barockstühlen, alten Wandbehängen und Gemälden lebte. Oder wer mit dem dicken und kahlköpfigen Prinzen Soundso verheiratet war, der nicht nur ein Gebiss trug, sondern auch mindestens zwölfmal so alt war wie die ehemalige ›exotische Tänzerin‹, die er zur

Weitere Kostenlose Bücher