Wassermelone: Roman (German Edition)
Gemahlin erkoren hatte und der er nur bis zur Taille reichte.
Nachdem ich mich eine Weile hingelegt hatte, ging ich vielleicht zur Toilette. Der Versuch, genug Energie aufzubringen, um das Bad aufzusuchen, kostete mich eine weitere halbe Stunde. Es war, als wäre ich aus Blei.
Wenn ich es ins Badezimmer geschafft hatte, reichten meine Kräfte gerade aus, zurück ins Bett zu wanken.
Nur fünf Minuten hinlegen, nahm ich mir vor, dann zieh ich mich wirklich an.
Aber inzwischen war es wieder Zeit, Kate zu füttern.
Danach musste ich mich noch mal hinlegen, nur für fünf Minuten …
Irgendwie brachte ich es nie fertig.
Wenn man mich nur immer weiter schlafen lässt, ist alles in Ordnung, dachte ich. Aber man belästigte mich unaufhörlich.
Ich lag eines Nachmittags im Bett (ich weiß nicht, warum ich eines Nachmittags sage, es ist keineswegs so, als wäre das nicht regelmäßig vorgekommen), als ein junger Mann, der wie ein Neandertaler aussah, mit einem Hammer in der Hand ins Zimmer kam.
Erst nahm ich an, ich sei zu lange eingesperrt gewesen und finge schon an zu halluzinieren.
Dann stürzte Mum atemlos und besorgt herein.
Es stellte sich heraus, dass der junge Mann da war, um zwischen meinem Zimmer und dem Wohnzimmer eine Gegensprechanlage mit Babyruf einzubauen, über die man jede Lebensäußerung Kates mitbekam. Unten hatte ihn meine Mutter nicht aus den Augen gelassen, aber als sie ans Telefon gehen musste, war er ihr entwischt und hatte sich in mein Zimmer verirrt.
Mum zwang mich aufzustehen, als wäre es mitten in der Nacht und sie ein Kommando Geheimpolizisten, die mich wegbringen und foltern wollten. Ich habe immer noch ihre Fingerabdrücke auf den Armen. Mein Gott, ein elektrischer Viehtreiber wäre in ihren Händen eine tödliche Waffe.
Sie war überzeugt, der Handwerker würde auf unsittliche Gedanken kommen, wenn er in meiner unmittelbaren Nähe arbeiten musste, solange ich noch das Nachthemd trug, also musste ich so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt werden.
Als ob dieses Aus-dem-Weg-Räumen wegen des Handwerkers nicht genügte, ließ mir Helen keinen Augenblick Ruhe. An den meisten Vormittagen stellte sie sich an meine Zimmertür, sah mich auf dem Bett liegen und brüllte: »Dein Frühstück ist fertig. Wer als Letzte unten ankommt, ist ein dickes, stinkendes, verfressenes Schwein!«
Noch während ich ihr matt mitzuteilen versuchte, dass ich ohnehin dick sei und stank, weshalb mir die Herausforderung nichts bedeute, war sie schon wieder die Treppe zur Küche hinabgepoltert.
Davon, dass ich dick war, biss keine Maus den Faden ab. Ich sah aus wie eine Wassermelone. Jedenfalls war das bei meiner Ankunft in Dublin so gewesen. Jetzt war ich nicht sicher, weil ich seit dem Tag, da ich meine Londoner Wohnung verlassen hatte, weder in einen Spiegel gesehen noch irgendwelche Kleidungsstücke anprobiert hatte.
Auf jeden Fall stank ich. Meine Aussichten, den Mount Everest zu besteigen, waren ebenso groß wie die, dass ich mir die Haare wusch.
Zwar badete ich gelegentlich, aber nur, weil meine Mutter alles dafür Nötige in die Wege leitete. Es war eine Mischung aus Überredung und Druck.
Sie ließ kochend heißes Wasser in die Wanne laufen und goss duftende Zusätze hinein, damit ich anschließend nach Kiwi und Papaya roch. Außerdem hängte sie mir riesige weiche Handtücher auf den geheizten Handtuchhalter. Sie bot mir sogar ihre eigene Lavendel-Körperlotion an (äh, danke nein). Sie drohte, falls ich nicht badete, mich den Behörden als der Mutterschaft unwürdig zu denunzieren. Kate käme dann zu Pflegeeltern.
Also nahm ich nahezu täglich ein Bad. Widerwillig.
Ein verfressenes Schwein aber war ich wohl nicht. Ich konnte mich ehrlich gesagt nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Ich hatte nie Hunger. Die bloße Vorstellung, etwas zu mir zu nehmen, jagte mir schon Angst ein. Ich wusste, dass ich nichts hinunterbringen würde. Ich war wie erstarrt. Als wäre meine Kehle zugeschnürt und ich würde nie wieder etwas schlucken können.
Ich konnte nicht glauben, dass mir das widerfuhr, denn ich hatte stets einen ausgesprochen gesunden und während der Schwangerschaft einen mehr als gesunden Appetit gehabt. Als junges Mädchen hatte ich den Himmel verzweifelt um das Geschenk der Magersucht angefleht. In meinen Augen waren magersüchtige Mädchen nicht bedauernswert, krank und unglücklich, sondern mit ihren vorstehenden Hüftknochen, dürren Schenkeln und dem
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