Wassermelone: Roman (German Edition)
Helen beiläufig.
»Warum?«, fragte sie, ohne den Blick vom Fernseher zu lösen. »Bist du scharf auf ihn?«
»Aber nein«, protestierte ich. Dabei stieg mir das Blut heiß in den Kopf.
»Bist du sicher?«, fragte sie. »Alle anderen sind scharf auf ihn. Die anderen Studentinnen, und auch Mum.«
Unsere Mutter wirkte ein wenig bestürzt, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte sie sich heftig verteidigen. Bevor sie allerdings dazu kam, hatte sich Helen wieder an mich gewandt.
»Zumindest hat es ganz danach ausgesehen. Du hast gekichert und ihm zugelächelt. Du bist schlimmer als Anna. Es war mir ja so peinlich.«
»Das war reine Höflichkeit«, erklärte ich.
Ich ärgerte mich richtig. Außerdem war es mir unangenehm.
»Das hat mit Höflichkeit nichts zu tun«, sagte sie tonlos und sah nach wie vor auf den Bildschirm. »Du bist scharf auf ihn.«
»Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihn übersehen und nicht mit ihm geredet?«, fragte ich sie wütend.
»Nein«, sagte sie kalt. »Aber du hättest nicht so deutlich zu zeigen brauchen, dass du auf ihn scharf bist.«
»Helen, ich bin verheiratet«, sagte ich mit erhobener Stimme. »Da ist überhaupt nichts. Außerdem ist er viel jünger als ich.«
»Ha!«, schrie sie zurück. »Da ist also doch was. Du hast nur Angst, dass er zu jung sein könnte. Mach dir keine Sorgen, auch unsere Professorin Staunton ist verheiratet, und sie ist in ihn verknallt. Sie hat sich einen angetrunken, in der Bar rumgeheult und gesagt, sie würde ihren Mann verlassen und alles Mögliche. Wir haben uns alle vor Lachen gewälzt. Und sie ist uralt . Sogar noch älter als du!«
Mit diesen Worten sprang Helen auf, rannte aus dem Zimmer und schlug dabei die Tür so nachdrücklich hinter sich zu, dass dabei bestimmt die letzten Dachziegel heruntergefallen sind.
»Ach Gott«, seufzte Mum gequält. »Hier geht es zu wie bei einem Stafettenlauf. Kaum hört die eine auf, sich wie der Antichrist aufzuführen, fängt die andere an. Woher habt ihr eigentlich alle so heißes Blut? Ihr seid die reinsten Südländer.«
»Was hat Helen denn auf einmal?«, fragte ich meine Mutter. »Sie ist doch sonst nicht so empfindlich, wenn es um einen von ihren Verehrern geht?«
»Was weiß ich. Vielleicht liebt sie diesen Adam«, sagte sie unsicher. »Oder sie glaubt es wenigstens.«
»Was?!«, fragte ich entsetzt. »Helen verliebt? Ist das dein Ernst? Der einzige Mensch, den Helen liebt, ist sie selbst.«
»So etwas Garstiges solltest du wirklich nicht über deine Schwester sagen«, mahnte meine Mutter und sah mich nachdenklich an.
»Ich meine es ja nicht so«, beeilte ich mich zu erklären. »Ich will nur sagen, dass alle Kerle in sie verliebt sind. Umgekehrt war es noch nie.«
»Dann wird es eben Zeit«, sagte Mum weise.
Wir saßen schweigend beieinander. Nach einer Weile brach meine Mutter das Schweigen.
»Auf jeden Fall hat sie recht.«
»Womit?«, fragte ich und überlegte, was sie meinte.
»Du bist doch scharf auf ihn.«
»Bin ich nicht «, sagte ich aufgebracht.
Mit hochgezogenen Brauen und wissendem Blick wandte sich meine Mutter mir zu.
»Sei nicht albern«, sagte sie verächtlich. »Er war wundervoll! Mir hat er auch gefallen. Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich mich ranhalten.«
Ich sagte nichts. Ich war baff.
»Außerdem hast du ihm auch gefallen. Kein Wunder, dass Helen wütend ist.«
»Das ist doch Unsinn«, protestierte ich laut.
»Absolut nicht«, sagte meine Mutter gelassen. »Das war mit Händen zu greifen. Allerdings hatte ich den Eindruck«, fuhr sie zweifelnd fort«, dass auch ich ihm gefallen habe. Vielleicht ist er einer von den Männern, die jeder Frau das Gefühl geben, sie sei schön.«
Jetzt wusste ich endgültig nicht mehr, woran ich war. »Aber Mum«, versuchte ich zu erklären, »ich bin mit James verheiratet, ich liebe ihn, und ich möchte meine Ehe wieder kitten.«
»Weiß ich doch«, sagte sie. »Aber vielleicht ist ein kleines Abenteuer genau das, was du brauchst. Damit du dein Selbstvertrauen zurückgewinnst und deine Empfindungen für James im richtigen Licht siehst.«
Ich sah sie entgeistert an. Wovon redete sie nur?
Wie kam meine Mutter dazu, mich, eine verheiratete Frau zu einem Seitensprung zu ermutigen? Noch dazu mit dem Freund meiner jüngeren Schwester!
»Reiss dich zusammen, Mum!«, sagte ich. »Du machst mir richtig Angst. Ich bin schließlich nicht mehr achtzehn. Ich glaube nicht mehr, dass die beste Möglichkeit,
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