Wassermelone: Roman (German Edition)
überrascht.
»Ja«, sagte ich mit Nachdruck.
»Aber selbst wenn er ihr Freund sein sollte, wird er es nicht lange bleiben«, sagte meine Mutter voraus.
»Wieso?«, fragte ich und überlegte, was sie dem schönen Adam noch aus der Nase gezogen hatte.
»Weil ich sehe, wie sich Helen aufführt«, sagte meine Mutter.
»Ach so«, sagte ich enttäuscht. Sie hatte also keine weiteren Perlen der Weisheit über Adam gesammelt.
»Sie will ihn nur erobern. Dann wird sie ihn eine Weile quälen und anschließend fallenlassen«, sagte meine Mutter. »So war sie schon als ganz kleines Mädchen. Vor Weihnachten hat sie monatelang gequengelt, weil sie eine Puppe und ein Fahrrad haben musste, und noch bevor der Puter gegessen war, hatte sie alles kaputtgemacht, was ihr der Weihnachtsmann gebracht hatte. Sie gab erst Ruhe, wenn alles in Stücken war und überall halsbrecherisch Puppenköpfe und -beine, Fahrradketten und Sättel herumlagen.«
»So solltest du nicht über Helen sprechen«, sagte ich und wiederholte damit sinngemäß, was Mum vorher zu mir gesagt hatte.
»Möglich«, sagte sie seufzend. »Aber es ist die Wahrheit. Ich liebe sie, und sie ist eigentlich ein braves Mädchen. Sie muss nur noch ein bisschen erwachsen werden. Na ja, ziemlich erwachsen.«
»Aber du hast gesagt, dass sie in Adam verliebt sein könnte.«
»Ich habe gesagt, dass man das annehmen könnte. Das ist was völlig anderes«, sagte sie.
»Selbst wenn es stimmen sollte, obwohl sie meiner Meinung nach viel zu unreif dafür ist«, fuhr meine Mutter fort, »würde es ihr gar nichts schaden, vom Leben mal eins auf die Nase zu kriegen. Ihr ist immer alles in den Schoß gefallen. Ein bisschen Kummer kann ganz nützlich sein. Sieh doch nur, wie gut es dir getan hat. Man lernt Demut.«
»Du möchtest also, dass ich mich auf ein Abenteuer mit Helens Freund einlasse, damit ich mein Selbstvertrauen zurückgewinne und Helen etwas Demut lernt«, sagte ich. Endlich glaubte ich verstanden zu haben, worauf sie hinauswollte.
»Gott bewahre«, sagte meine Mutter ärgerlich. »Wenn man dich so hört, könnte man glauben, ich bin wie eine von denen aus dem Denver-Clan oder Dallas . Als wollte ich im Leben anderer Menschen den lieben Gott spielen oder so was. Wenn du das so sagst, klingt es sehr kaltblütig.« Sie fuhr fort: »Ich hab nicht gesagt, ich möchte, dass was passiert. Ich hatte nur das Gefühl, dass Adam von dir angezogen war. Und wenn das stimmt und dabei was herauskommen sollte und du anschließend Helens Mordanschläge lebend überstehst – Gott, sind das viele ›Wenns‹ –, solltest du einfach geschehen lassen, was geschieht.«
»Ach, Mum«, seufzte ich. »Du hast mich ganz durcheinandergebracht.«
»Tut mir leid, mein Kind«, sagte sie. »Möglicherweise hab ich auch alles falsch verstanden. Vielleicht ist er gar nicht scharf auf dich.«
Natürlich wird es Sie nicht überraschen zu erfahren, dass ich das auch nicht von ihr hören wollte.
Ich hab genug, dachte ich.
»Ich geh ins Bett«, sagte ich.
»Träum schön«, sagte meine Mutter und drückte mir die Hand. »Ich komm noch vorbei und geb Kate ’nen Gutenachtkuss.«
Ich ging nach oben und zog mich aus. Offensichtlich grollte mir mein Nachthemd. Es war ihm nicht recht, dass ich es vernachlässigt hatte und mit Helens Bluse und Leggings zum Supermarkt gefahren war. Es machte mir einen Haufen Vorwürfe.
Ich war dir ein wahrer Freund, erklärte es mir. Ich hab dir über die schweren Zeiten hinweggeholfen, erinnerte es mich. Du bist unbeständig. So verhält sich eine wahre Freundin nicht. Kaum sehen die Dinge etwas besser aus, oder du fühlst dich ein bisschen normal, pfefferst du mich in die Ecke und brauchst mich nicht mehr.
Hör bloß auf, dachte ich, sonst zieh ich dich nie wieder an. Dann hast du wirklich Grund, dich zu beklagen.
Ich hatte an Wichtigeres zu denken als an entrüstete Nachthemden und deren Sorgen.
Als ich mich hinlegte, fiel mir auf, dass ich etwa drei Stunden lang nicht an James gedacht hatte.
Ein richtiges Wunder.
Alles in allem – ein äußerst ungewöhnlicher Tag.
12
D er neue Morgen dämmerte, und es war kalt und windig. Ich wurde im Morgengrauen wach. Es war ein typischer Märztag. Endlich hatte der Regen aufgehört. Allerdings hat das keinerlei symbolische Bedeutung. Irgendwann musste der verdammte Regen einfach aufhören.
Nachdem ich Kate ihr Fläschchen gegeben hatte, wartete ich neben ihr auf dem Bett, bis sie ihr Bäuerchen machte. Zwar steckte
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