Wassermelone: Roman (German Edition)
lächelte Adam kurz, aber die Atmosphäre war immer noch unbehaglich.
Im Fitnessstudio meldete er mich mürrisch an. Als ich aus der Damen-Umkleide herauskam, drückte ich mich in meinem Gymnastikanzug und meinen Leggings so gehemmt wie eine jungfräuliche Braut an die Wand, damit ja niemand mein breites Hinterteil sehen konnte. Aber das wäre nicht nötig gewesen. Er gönnte mir kaum einen Blick.
»Drüben stehen die Ergometer«, sagte er und wies mit dem Finger in eine Richtung. »Die Hanteln sind in diesem Raum, und die Kraftmaschinen in dem.« Dann überließ er mich mir selbst.
Großartig, dachte ich voll Zorn. Ich könnte mir einen Muskelriss oder eine Sehnenzerrung holen; ihm wäre das völlig egal. Einen Augenblick lang wartete ich, ob er zurückkäme und mir dies und jenes erklärte.
Offen gesagt hatte ich – wenn auch mit schlechtem Gewissen – allerlei Vorstellungen gehegt, wie er sich über mich beugte, während ich rücklings auf der Drückbank läge, um das Gewicht einzustellen und dergleichen. Dabei hätten wir dann plötzlich gemerkt, dass wir einander nahe genug waren, um uns zu küssen, und ähnlicher sentimentaler Kitsch. Da mich Adam nicht einmal ansah, beschloss ich zögernd, dass ich meine ausufernde Fantasie ein bisschen zügeln und mir etwas Bewegung verschaffen könnte. Also fing ich mit Aufwärm- und Dehnübungen an. In null Komma nichts merkte ich, dass es mir Spaß machte.
Ich bin nicht wirklich glücklich, versicherte ich mir. Es ist nur der künstliche Kick, den körperliche Betätigung auslöst. Pheromone oder so. Oder sind es Endorphine? Großer Gott, ich wurde wie Helen.
Verstohlen sah ich zu Adam hinüber. (Oje! Das klingt aber schon sehr nach schwülstigem Liebesroman. Da wird immer »verstohlen« geblickt.) Na schön, also nicht verstohlen. Ganz offen.
Allerdings kannte ich jemanden in einer Kneipe, der mir für einen anständigen Preis ein paar Schachteln Blicke abgekauft hätte, ohne groß Fragen zu stellen.
Ich sah also zu Adam hinüber, wenn er es nicht merkte. Er sah fantastisch aus, drückte und riss unglaubliche Gewichte. Er wirkte ausgesprochen entschlossen, ernsthaft und kräftig. Ein Mann, der seinen Körper ernst nahm. Mit gutem Grund. Trotz Trainingshose und T-Shirt war er sehenswert. Großartige starke Arme, auf denen Schweißperlen glänzten. Und ein richtig knackiger Hintern. Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Aber es stimmte.
Nach etwa einer Stunde beschloss ich, dass ich genug hatte.
»In Ordnung«, sagte er lächelnd. »Nach dem Duschen treffen wir uns im Café.«
Als ich auftauchte, weil ich mich viel zu lange meinem Make-up gewidmet hatte, saß er bereits da. Sein Haar war nass und glänzte, und auf dem Tisch vor ihm standen zwei Dutzend Milchtüten.
»Endlich«, sagte er, als er mich sah. »Na, hat’s Spaß gemacht?«
»Es war großartig«, sagte ich.
»Bist du jetzt froh, dass du gekommen bist?«, fragte er mit ausdrucksloser Miene.
»Ja«, erwiderte ich und sah ihm in die Augen.
»Gut«, sagte er und lachte. Ich stimmte ein.
Gott sei Dank! Ich war so erleichtert, dass er nicht mehr sauer auf mich zu sein schien.
Ich holte mir eine Tasse Kaffee und setzte mich zu ihm. Wir waren die einzigen Besucher. Es war Freitagabend, und vermutlich hatten die meisten vernünftigen Leute Besseres zu tun. Beispielsweise in die Kneipe gehen und sich volllaufen lassen.
Mit einem Mal stimmte es zwischen Adam und mir wieder. Die Spannung war verschwunden. Wir sprachen über nichts Unangenehmes oder Vernünftiges. Ich fragte ihn nicht, ob Helen seine Freundin sei, und er fragte mich nicht nach James. Ich fragte ihn nicht nach seinen Vorlesungen, und er tat mir den Gefallen, mich nicht über meine Arbeit auszufragen. Stattdessen fragte er mich nach meinem Lieblingstier, ich ihn nach seinen frühesten Erinnerungen. Wir sprachen über unsere Disco-Besuche mit fünfzehn. Außerdem unterhielten wir uns darüber, welche Fähigkeiten wir gern hätten, wenn wir drei Wünsche frei hätten.
»Ich würde gern fliegen können«, sagte er.
»Und warum lernst du es dann nicht?«, fragte ich.
»Nein, ich meine, ich möchte selbst gern fliegen können«, sagte er lachend. »Du weißt schon, ohne Flugzeug oder was. Und was würdest du gern können?«
»Manchmal wünsche ich mir, ich könnte in die Zukunft sehen«, sagte ich. »Nicht alles und auch nicht Jahre im Voraus oder so was. Vielleicht ein paar Stunden im Voraus.«
»Das wäre wunderbar«, sagte
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