Wassermelone: Roman (German Edition)
Dies schöne winzige Menschlein war mein Kind. Ich hatte es geboren. Meine Tochter.
Zum ersten Mal begriff ich, begriff wirklich, dass meine Ehe kein Fehlschlag gewesen war. James und ich waren zwar nicht mehr zusammen, aber wir hatten diesen wunderbaren kleinen Menschen geschaffen. Dieses lebende Wunder. Ich stand unter keinem Fluch. Ich war nicht von Gott verlassen. Mir ging es wirklich über alle Maßen gut.
15
D en Freitagabend verbrachte ich mit meiner Mutter vor dem Fernseher. Ich hatte das Gefühl, mich in den letzten Tagen genug herumgetrieben zu haben. Außerdem war ich vollkommen erschöpft. Sich um einen Säugling zu kümmern ist aufreibend. Woher ich das wissen will, höre ich Sie fragen.
Okay, okay, ich gebe zu, dass mir meine Eltern sehr dabei geholfen hatten, trotzdem war ich völlig erledigt.
Wie sollte ich je wieder meine Arbeit bewältigen. Wie schaffen das andere nur? Ich kam mir richtig minderwertig vor. Vor allem, wenn ich an Frauen in anderen Ländern dachte. War es nicht China? Sie wissen schon, die graben da mit bloßen Händen die Felder um, sagen »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, als gingen sie bei einem feinen Empfang auf die Toilette, heben dann den Rock, und ein neugeborenes Kind fällt auf einen Sack Saatgut in einer Ackerfurche oder was auch immer da liegt. »Jetzt ist es schon besser«, sagen sie vielleicht noch. Dann pflügen und eggen sie weiter und reißen, mit dem Säugling vor der Brust, mit einer Hand gewaltige Eichen aus. Bevor es Abend ist, sind sie schon wieder schwanger, das Neugeborene trägt Jacke und Hose und fährt einen Traktor.
Beim Fernsehen mit Mum kehrten meine Gedanken immer wieder zu Adam zurück. Ganz wie früher als Heranwachsende überlief es mich jedes Mal, wenn ich an ihn dachte.
Es war so wunderschön mit ihm gewesen. Er war so nett. So erfrischend, so eifrig, so interessant und interessiert.
Ich mochte ihn wohl deshalb so, weil er so wenig zynisch war, überlegte ich. Er erinnerte mich daran, wie es war, wenn man den Dingen positiv gegenüberstand.
Sein fabelhaftes Aussehen machte seine unverhohlene Bewunderung mir gegenüber umso angenehmer. Es gibt kaum Schlimmeres als unverhohlene Bewunderung von Leuten, die selbst die reinsten Scheusale sind.
In einem solchen Fall könnte ich darauf verzichten. Aber entscheidend war nicht, dass Adam fabelhaft war. Nicht deshalb war ich gern mit ihm zusammen.
Hätte ich nicht James geliebt, ich hätte mich unter Umständen von Adam angezogen gefühlt. Was nicht heißen soll, dass ich von ihm nicht angezogen war. Ich meine, er war äußerst anziehend. Und ich hatte Augen im Kopf. Schließlich bin ich auch nur ein Mensch. Rein theoretisch kann man einen Mann lieben, in meinem Fall James, und für einen anderen schwärmen, in diesem Fall Adam. Schwärmen schadet nichts. Man ist deswegen noch lang nicht flatterhaft. Es tat mir gut. Und ich brauchte nichts zu tun.
Sogar falls ich, Gott behüte, etwas in der Richtung unternehmen würde, bedeutete das auch nicht das Ende der Welt, oder? Na ja, sollte Helen dahinterkommen, könnte es ohne Weiteres das Ende der Welt bedeuten. Aber das würde voraussetzen, dass sich Adam zu mir hingezogen fühlte. Was ich auch annahm. War das nun schrecklich eingebildet von mir?
Vielleicht ging er bei allen Frauen mit diesem Trick vor. Sie wissen schon: Man gibt sich ganz aufrichtig, verletzlich und bewundernd, damit die Frauen glauben, man wäre der netteste Mann, den sie je kennengelernt haben, tatsächlich anders als die anderen. Und bevor sie selbst es wüsste, läge sie in Adams Bett, ihr Slip würde in eine der vier Ecken des Zimmers fliegen, und Adam würde von ihr herunterklettern und sagen: »Als ich dir heute Morgen gesagt hab, dass ich dich achte, hab ich gelogen.«
Dann würde er genau zweiundsiebzig Stunden später anrufen, um zu sagen: »Übrigens, das Kondom ist geplatzt. Hattest du nicht gesagt, dass du gerade deinen Eisprung hattest?«
Ja, dachte ich wütend, bestimmt ist er ein richtiger Dreckskerl und hat nichts anderes im Sinn, als arme verwitwete Frauen wie mich rumzukriegen. Schön, ich bin keine Witwe, aber gleichfalls in einer ausgesprochen ungeschützten Position.
Wie kann er es wagen, so zu tun, als wäre ich schön und etwas Besonderes. Eine Unverfrorenheit! Wenn er glaubt, dass ich mit ihm ins Bett geh, habe ich sehr schlechte Nachrichten für ihn: Adam, Liebling, ich hab es mir anders überlegt.
Ich brauchte einige Sekunden, bis ich begriff,
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