Wassermelone: Roman (German Edition)
Rührstück? Tut mir leid, aber falls Sie sich für so was interessieren, sollten Sie ein anderes Buch lesen.
Nein, er gab mir das Handtuch, und ich rubbelte mir die Haare ein paarmal halbherzig durch. Ich wollte nicht, dass sie wild durcheinanderstanden und strubbelig trockneten.
Offen gesagt hätte ich lieber Lungenentzündung bekommen.
Ich zog meine Stiefel aus und stellte sie vor den Ofen. Adam gab mir einen Becher Tee, und wir setzten uns in der angenehm warmen Küche an den Tisch. Er fand sogar eine Packung Kekse.
»Sie gehören Jenny«, erklärte er. »Ich sag ihr morgen früh, dass ich heute Abend besonderen Besuch hatte. Sie wird das verstehen.«
Es ging ein richtiger Zauber von ihm aus. Er wirkte ganz natürlich und keinen Augenblick lang unaufrichtig und schmierig.
»Wie lange hast du das Kind schon?«, fragte er und stellte den Zucker vor mich hin.
»Etwas über einen Monat«, sagte ich.
»Ich hoffe, es stört dich nicht«, sagte er verlegen. »Aber Helen hat mir gesagt, wie das mit dir und deinem Mann ist.«
»Und?«, fragte ich. Es störte mich durchaus.
»Eigentlich nichts«, sagte er rasch. »Es geht mich ja auch nichts an, aber ich bin sicher, dass es für dich nicht einfach ist. Ich hab so was Ähnliches mal selbst erlebt und weiß, wie entsetzlich das sein kann.«
»Tatsächlich?«, fragte ich. Er hatte mich neugierig gemacht.
»Nun ja«, sagte er. »Aber ich will nicht meine Nase in deine Angelegenheiten stecken.«
Das darfst du gern , dachte ich, wenn ich dafür meine Nase in deine Angelegenheiten stecken darf. Also erzähl schon.
»Ich weiß, dass du viele Freunde in Dublin hast«, fuhr er fort, »aber falls du mal mit mir reden willst, kannst du das gern tun.«
»Du willst mich aber nicht als eine Art Versuchskaninchen für deinen Psychologiekurs benutzen?«, fragte ich argwöhnisch.
»I wo!«, lachte er. »Ich hab dich einfach vom ersten Augenblick an gemocht und seit heute abend noch mehr. Ich fände es schön, wenn wir Freunde würden.«
»Warum?«, sagte ich, noch immer voll Misstrauen.
Es war ja wohl mein gutes Recht zu fragen, oder? So ganz verstand ich ihn nämlich nicht. Ich war ein durchaus normaler Mensch. Warum war Adam zu dem Ergebnis gekommen, ich sei etwas Besonderes und seiner Freundschaft wert?
Hier ging es nicht darum, dass ich mich selbst herabsetzte. Ich wusste, dass ich viele gute Eigenschaften hatte, und war keine von denen, die sich ständig selbst herabsetzen. Aber gute Eigenschaften haben viele. An mir gab es nichts Ungewöhnliches. Adam hingegen hatte bestimmt Tausende lustiger, schöner, kluger, unterhaltsamer, sanfter, interessanter, erotischer und schutzbedürftiger Frauen kennengelernt. Wie er gerade auf mich komme, fragte ich ihn.
»Weil du nett bist«, antwortete er. Nett! Ich bitte Sie! Welche Frau will schon, dass ein schöner Mann wie Adam auf sie verfällt, weil sie nett ist?
»Außerdem bist du sehr lustig. Und klug. Und interessant«, sagte er. Das kommt schon eher hin, dachte ich. Ob er mich auch erotisch oder schön fand? Ich wäre sogar mit »anziehend« zufrieden gewesen.
Aber nein: Die Begriffe erotisch, schön oder anziehend kamen ihm nicht in den Sinn. Was für eine Rolle spielte das? Es tat gut, mit ihm zu reden. Ich unterhielt mich bestens. Außerdem war ich nicht scharf auf ihn. Unter anderen Umständen wahrscheinlich schon.
Er war jedenfalls nicht scharf auf mich. Wir waren einfach zwei Erwachsene, die sich einer in der Gegenwart des anderen wohlfühlten.
Ich war verheiratet. Am Montag würde ich James anrufen. Um Adam würde sich schon jemand kümmern. Wenn nicht meine Schwester Helen, dann eine andere Frau, kein Zweifel. Kein Grund, sich groß den Kopf zu zerbrechen.
»Was machst du morgen?«, fragte er.
»Weiß ich noch nicht«, sagte ich. »Seit ich aus London zurück bin, hat sich bei mir noch kein richtiger Rhythmus eingespielt. So wie’s aussieht kümmere ich mich einfach um Kate.«
»Genau deswegen wollte ich wissen, wie alt die Kleine ist. Hättest du Lust, mit mir ins Fitnessstudio zu kommen?«
»ICH?«, fragte ich entsetzt. »Wozu?«
»Nicht, weil ich glaube, du hättest es nötig«, sagte er rasch. »Ich dachte nur, es würde dir vielleicht Spaß machen.«
Mit mir schlaffen und wabbligen alten Frau wollte dieser Adonis ins Fitnessstudio gehen? Machte der sich über mich lustig? Auf der anderen Seite – mein Körper würde schlaff und wabblig bleiben, wenn ich nichts dagegen unternahm. Früher war ich
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