Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
Adam. »Denk nur an das viele Geld, das du beim Pferderennen gewinnen könntest.« Ich lachte.
    »Oder unsichtbar sein. Das wäre bestimmt lustig. Sicher kann man sehr viel mehr über einen Menschen erfahren, wenn der nicht ahnt, dass man in der Nähe ist.«
    »Da hast du recht«, sagte er.
    »Ich würde gern durch die Zeit reisen können«, sagte er nach einer Weile.
    »Ja, das ist gut«, stimmte ich ganz begeistert zu. »Zum Beispiel könnte man in die Zukunft reisen. Oder zurück in wirklich spannende Zeiten wie das alte Ägypten. Allerdings, bei dem Pech, das ich immer habe, wäre ich dann bestimmt irgendein Gladiator.«
    »Ich bin nicht sicher, ob es im alten Ägypten Gladiatoren gegeben hat«, sagte er sehr freundlich. Vermutlich war er es gewöhnt, Helen zu verbessern.
    »Wie auch immer«, fuhr er fort. »Bestimmt wärest du eine Prinzessin. Vielleicht nicht Kleopatra. Dafür bist du zu hell«, sagte er und strich mir leicht über das Haar. »Aber bestimmt eine Prinzessin.«
    »Tatsächlich?«, murmelte ich. Geistreich und liebenswürdig, so bin ich nun mal. Witz und Schlagfertigkeit sind meine zweite Natur.
    »Äh, in welche Zeit würdest du denn gern zurückreisen?«, wollte ich wissen, besorgt, das Gespräch könnte in weniger intime Bezirke abgleiten und mein Atem sich wieder normalisieren.
    »Manchmal wünsche ich mir, ich könnte in mein eigenes Leben zurückreisen«, sagte er. »In eine Zeit, in der ich wirklich glücklich war. Oder ich könnte Dinge ändern. Unrecht wiedergutmachen. Tun, was ich hätte tun sollen, aber nicht getan habe.«
    Ich platzte vor Neugier. Was war in seinem Leben so Erschütterndes vorgefallen?
    Bevor ich der Sache nachgehen konnte, fiel mir mit einem Mal auf, wie spät es war. Sieben Uhr vorbei.
    »O Gott!«, sagte ich und sprang ganz nervös auf. »Schon so spät. Ich dachte, es wäre eben fünf. Ich muss unbedingt gehen. Vielen Dank, dass du mich hierher mitgenommen hast. Tschüs.«
    »Warte«, sagte er. »Ich bring dich zum Auto.«
    »Nicht nötig«, sagte ich. Ich nahm meine Tasche und lief wie gehetzt davon. Wo war bloß die Zeit geblieben? Wie konnte ich Kate nur so vernachlässigen? Gott würde mich dafür strafen. Bestimmt war ihr etwas passiert. Ich konnte nicht fassen, dass die Zeit so rasch vergangen war. Ich raste zurück. Kein Stoßverkehr mehr, weil es schon so spät war.
    Mit zusammengekniffenem Mund und misstrauischer Miene fragte mich meine Mutter: »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Tut mir leid«, keuchte ich. »Ich hab nicht auf die Zeit geachtet.«
    »Ich hab Kate gefüttert«, teilte sie mir mit.
    (Gott sei Dank. Sie lebte also noch.)
    »Danke, Mum.«
    »Fünf Mal.«
    »Danke, Mum.«
    »Und sie neu gewindelt.«
    »Danke, Mum.«
    »Drei Mal.«
    »Danke, Mum.«
    »Ich hoffe, du weißt das zu schätzen.«
    »Das tue ich, Mum.«
    »Sie ist nicht mein Kind.«
    »Ich weiß, Mum.«
    »Ich hab meine Kinder längst aufgezogen.«
    »Ich weiß, Mum.«
    Jetzt war sie erst recht misstrauisch und wollte wissen, warum ich so zahm war.
    Worauf ich mit lauter Stimme feststellte: »Sie ist auch dein Fleisch und Blut.« Es kam nicht besonders eindrucksvoll heraus. Ich konnte mich einfach nicht darauf konzentrieren, wütend zu werden. Zwar sagte ich mir: »Meine Güte, wie nervtötend sie ist«, aber immer, wenn die geringste Wut hochkam, glitten meine Gedanken wieder zu Adam, und ich fühlte mich glücklich. Na ja, mehr oder weniger.
    Ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand. Allerlei sonderbare Dinge gingen da vor. Ein ganzes Bataillon meiner Gedanken marschierte entschlossen auf das Ziel »Wut« zu, doch wurde es von Adam abgelenkt und landete zu seiner Überraschung beim völlig anderen Ziel »Träumerische Zufriedenheit«.
    Ich kann Ihnen sagen, das rief unendlichen Wirrwarr hervor. Ein Haufen missgelaunter Gedanken standen in ihren wattierten Jacken herum und warteten auf ihren Vertrauensmann, in der Hoffnung, dass der etwas Licht in die Sache bringen könnte.
    »Wozu stehen wir hier eigentlich rum?«, »Wer gibt die Richtung an?«, »Wo geht’s jetzt lang?«, »Das gehört nicht zu unseren Aufgaben«, »Wer ist hier eigentlich zuständig?« und andere Äußerungen dieser Art ertönten.
    Ich stürmte nach oben, um nach Kate zu sehen. Sie lag, gefüttert und gewindelt, in ihrem Bettchen und schlief. Alles war in bester Ordnung. Der kleine Engel. Zufrieden atmete sie im Schlaf und bewegte ihre dicken rosa Beinchen.
    Mit einem Schlag wurde mir klar, wie gut es mir ging.

Weitere Kostenlose Bücher