Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
nötigte ihn dauernd, mit Ailie über den Ehestand zu sprechen, und er war sich nicht sicher, auf welcher Seite er selbst war. «Kein Mensch auf der Welt steht ihr näher als du, Junge, nicht mal ihr guter alter Dad», schmeichelte ihm sein Vater. «Bring sie zur Vernunft.» Von Mungo war seit fast zwei Jahren keine Nachricht gekommen; der Alte wollte, daß sie Gleg zum Mann nahm.
    Früher wäre ihm allein der Gedanke ein Greuel gewesen. Jetzt aber dachte er ein wenig anders. Gleg war noch immer ein ziemlicher Esel – aber ein bei weitem erträglicherer Esel als damals, als er nach Selkirk gekommen war. Und es stand außer Frage, daß er Ailie ergeben war – seit er sie zum erstenmal gesehen hatte, schwänzelte er um sie herum und deckte sie mit Geschenken und Gedichten und schauerlichen Balladen ein. In Zwiespalt brachte Zander nur, daß Ailie, wenn sie sich in Glegs Arme warf, Mungo den Rücken kehrte – schlimmer noch, er selbst müßte damit eingestehen, daß Mungo gescheitert war, tot und verschollen, verscharrt in einer Erdmulde oder zerfetzt in denGedärmen irgendeiner trägen Bestie. Und doch, so schmerzlich dieses Eingeständnis sein mochte, gab es denn noch einen Zweifel? Welchen Sinn hatte es, falsche Hoffnungen zu hegen? Wie lange konnte er es ertragen, seine Schwester immer nur voll Sehnsucht zu sehen, harrend und hoffend, bis die Hoffnung zur Verzweiflung gerinnen würde, der Rücken gekrümmt vor Enttäuschung, vorzeitig gealtert durch die fruchtlosen Jahre, während sie in die Kirche und wieder hinausschlurfte und über einem Rosenkranz Gebete murmelte?
    Gleg war gar nicht so übel. Er hatte seine Fehler – aß wie ein Scheunendrescher und lachte wie eine Hyäne, schlechte Zähne und noch schlechterer Atem   … linkisch war er, lange Nase, häßlich wie ein Straßenköter   … aber im Herzen war er gut, und er hatte es zweifellos zu etwas gebracht   …
    Zander goß sich einen Whisky ein und schlenderte ins Wohnzimmer, wo Ailie über Mikroskop und Notizblock gebeugt war. Gleg und der Alte waren auf einem Hausbesuch und taten, was sie konnten, um dem greisen Malcolm McMurtry zu helfen, der an der roten Ruhr starb. In zwei Wochen war Weihnachten. Kränze aus Stechpalmen und Bärlappkolben hingen in den Fenstern. Draußen heulte der Wind in den Bäumen.
    Zander setzte sich auf die Tischkante und betrachtete eine Weile das Profil seiner Schwester: die geschwungene Linie ihres Nackens, die Stupsnase, das kurze schwarze Haar. «Ails», sagte er schließlich. «ich hab hin und her überlegt und versucht, es ganz rational zu sehen, und ich glaube – also, ich glaube, du kannst nicht mehr damit rechnen, daß Mungo wiederkommt.» Sie blickte nicht auf. «Ich meine – ist es nicht langsam Zeit, daß wir uns das klarmachen und anfangen, an eine Zukunft ohne ihn zu denken?» Er nahm einen Schluck Whisky; sie skizzierte etwas, sah abwechselnd in das Mikroskop und auf den Notizblock.«Ich hab’s dir noch nicht gesagt   … aber ich werde nicht mehr allzu lange in Selkirk bleiben, weißt du – sobald ich mir über alles klar bin, gehe ich weg. Ich kann hier nicht bis in alle Ewigkeit herumhängen und dem Alten auf der Tasche liegen. Immer noch antwortete sie nicht. «Und was ist mit dir? Der Alte wird ja nicht mehr hundert Jahre leben. Solltest du dir nicht mal darüber Gedanken machen?»
    Ailie wandte sich um und sah ihn an. «Etiam tu, Zander?»
    Er lachte. «Ja, auch ich. Der Alte möchte, daß du Georgie heiratest. Er hat mich gebeten, mal mit dir zu reden. Und eigentlich wäre es gar keine so schlechte Idee, finde ich.».
    «Du willst nicht, daß ich eine alte Jungfer werde.»
    «So was ähnliches.»
    «Und Mungo?»
    Zander ließ sein Glas stehen und ging die Glut im Herd schüren. Ailies Tauben stimmten ein trauriges Duett an, eine Art Klagelied, das sie abrupt mitten im Gesang abbrachen. «Wir dürfen uns nichts vormachen, Ails», sagte er, wobei er ihr den Rücken kehrte. «Zwei Jahre, und keine Nachricht. Welchen Schluß kann man daraus schon ziehen?» Als er sich umdrehte, sah sie angestrengt in ihr Mikroskop. «Oder?» Seine Stimme war sanft, ein Wispern. «Glaubst du, es gibt noch Hoffnung?»
    «Ich liebe Georgie Gleg nicht», sagte sie.
     
    Zwei Wochen später, am Weihnachtstag, nachdem man einander zugeprostet und Geschenke gemacht hatte, wurde getanzt. (Ailie war von Gleg mit Geschenken überhäuft worden – eine Schachtel Konfekt, drei Meter grüner Musselinstoff aus einem Geschäft in

Weitere Kostenlose Bücher