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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Schweiß über die Schläfen rann und seine Mundwinkel salzig werden ließ. Plötzlich knurrte einer der bemalten Männer, und alles wandte sich ihm zu. Er war schwarz-weiß geschminkt, die Farbe zersplitterte sein Gesicht, riffelte es wie ein Xylophon. Er wies mit dem Finger auf die Ölpalme am anderen Ende der Lichtung. Ein kleiner Seidenaffe hockte in einer der Mulden, knabberte an irgend etwas und langte hin und wieder über die Schulter, um den noch kleineren Affen zu lausen, der sich an seinen Rücken klammerte. Langsam und bedächtig, ohne jegliches Gefühl oder die geringste Anteilnahme, hob der Xylophon-Mann seine Muskete und drückte den Abzug, nagelte für einen einzigen, qualvollen Augenblick, in dem das Fortschreiten der Zeit innehielt, beide Tiere an den Baum, bevor sie wie Lumpen zu Boden fielen.
    Mungo zückte die Börse.
     
    Die letzte Enttäuschung wurmt lediglich – und gibt zu denken. Dennoch ist sie im Grunde viel beunruhigender als die vorigen, eher ein Tritt in den Bauch, eine Sache, die in denTräumen spukt und einem die Gedärme zusammenschnürt.
    Nach dem Zusammenstoß mit Crump besprach sich Mungo kurz mit seinen Offizieren und beschloß, Pisania am nächsten Morgen zu verlassen. Der neue Verwalter war zweifellos feindselig, seine Handlanger eine potentielle Gefahr. Es lag kein Vorteil darin, noch länger in Pisania zu verweilen, und mit jedem Tag rückte die Regenzeit näher. Der einzige wesentliche Punkt, der noch zu tun blieb – das Anheuern von etwa zwanzig Schwarzen als Träger, Führer und Dolmetscher   –, würde nicht mehr als zwei Stunden erfordern. Der Entdeckungsreisende war sich da sicher. Aus jahrelanger Erfahrung wußte er nur zu gut, wie sich materielle Gier in Eingeborenenherzen entfachen ließ. Jedem, der bereit war, ihn ins Landesinnere zu begleiten, würde er einen halben Ballen scharlachroten Tuches und dazu den Gegenwert eines erstklassigen Sklaven anbieten. Er brauchte nur das Gerücht auszustreuen, schon würden eifrige Freiwillige sein Zelt überrennen, ganze Horden von ihnen; sie würden drauflosschnattern wie Terminspekulanten, sich vordrängen, in die Hände spucken und sie dem weißen Mann drücken wollen, um den Handel zu besiegeln. So könnte er sich in aller Ruhe seine Leute aussuchen.
    Doch irgend etwas lief dabei schief.
    Obwohl er sein Angebot kurz nach Mittag verkündet hatte, kam die Dämmerung, ohne daß jemand Interesse zeigte. Hatte der Häuptling die Nachricht für sich behalten, in der Hoffnung, alle offenen Stellen mit Verwandten zu besetzen? Hatte der Entdeckungsreisende, dessen Mandingo zugegebenermaßen etwas eingerostet war, sich nicht deutlich genug ausgedrückt? Gegen acht begann er, sich Sorgen zu machen. Ohne Schwarze zum Antreiben der Esel und zum Schleppen von Waren und Ausrüstung würde diese Last auf die Soldaten fallen, die genug mit sich selbst zu tun hatten, wenn der Regen erst einmal einsetzte.Schlimmer noch: er hätte dann niemanden, der mit fernen Stämmen kommunizieren oder auch nur den richtigen Weg weisen könnte. «Nein», sagte der Entdeckungsreisende schließlich zu seinem Schwager, als sie beim Licht der Öllampe in seinem Zelt saßen, «es gibt keine andere Möglichkeit. Wir brauchen dringend Schwarze, und wenn wir ihnen doppelten Lohn, ein Grundstück in den Cotswold Hills und die Unterhosen des Königs als Draufgabe anbieten müssen.»
    Draußen hing dicker Rauch von den Feuern seiner Leute in der Luft. Relativ unberührt von Nichtigkeiten wie dem Schicksal von Leland Cahill oder Dr.   Laidley, dem Marktpreis für Flöße und der Verfügbarkeit von schwarzen Trägern, widmeten sich die Männer statt dessen emsig den momentanen Aufgaben: sie grillten Hähnchen, leerten Kalebassen voll
sulu
-Bier und machten die einheimischen Frauen mit Geschlechtskrankheiten bekannt. Der Entdeckungsreisende hörte ihre gedämpften Flüche in den Büschen, als er die dunkle Slumsiedlung auf seinem Weg zur Hütte des Häuptling durchquerte. Vom Fluß her drang ganz leise, aber unverwechselbar das unheimliche Heulen und Pfeifen der im Schlamm kopulierenden Krokodile herauf.
    Der Häuptling, ein sehniger Bursche mittleren Alters, der einen Filzhut und ein französisches Batisthemd mit abgeschnittenen Ärmeln trug, saß gerade beim Abendessen, als der Entdeckungsreisende aus dem Schatten in den unsteten Lichtkreis des Lagerfeuers trat. Der Häuptling hieß Damman Jumma.
    Seine Hütte, ein Triumph zeitgenössischer

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