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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Stadt, hinter sich 1200   Reiter mit stechenden Augen, die auf ein Gefecht mit der weißen Armee nur so brennen. Es ist seine Absicht, die
Nazarini
in Stücke zu hacken – ganz egal, wie viele und wie gut bewaffnet sie sind – und Mungo Parks auf die Speerspitze gepfählten Kopf seiner Dame, Fatima von Jafnu, als Geschenk darzubringen.
    Dassouds Feldzug, so wird man bemerken, ist etwa zweieinhalb Monate hinter dem Zeitplan zurück. Er hatte den Entdeckungsreisenden ja noch im Frühherbst eliminieren wollen, doch als September, Oktober und Anfang November saumselig ins Land gingen, mußte er feststellen, daß er doch nicht ganz die Geißel war, als die er sich sah. Die Wurzel des Übels lag in zerstörerischem Gezänk zwischen den diversen Stämmen unter seinem Befehl. Sie mochten fuchsteufelswild über den Brief des Entdeckungsreisenden und die darin ausgedrückte Absicht sein, zeigten sich aber dennoch nicht recht gewillt zur Einheit unter Dassouds Banner – oder überhaupt unter irgendeinem Banner. Der Zeitpunkt war schlicht ungünstig gewählt.
    Zuerst war eine Blutfehde zwischen den Trasart und den Al-Mu’ta von Jafnu ausgebrochen. Mubarak von den Trasart hatte drei von Bu Khalums Leibeigenen wegenWasserdiebstahls aus einem seiner Brunnen exekutiert; zur Vergeltung stahl sich Bu Khalum höchstpersönlich ins Lager der Trasart, pißte in Mubaraks Haferbrei und machte sich mit dessen bestem Pferd aus dem Staub, für das er Lösegeld forderte. Das Lösegeld wurde anstandslos bezahlt, und Bu Khalum sandte das Pferd zurück – in acht Stücken, säuberlich einzeln in Ziegenleder verpackt. Inzwischen hatte Mahmud Bari von den Il-Braken die durch Dassouds Hand erlittene Züchtigung vergessen und weigerte sich, an der
dschihad
gegen die
Nazarini
teilzunehmen, wenn er sie nicht selbst anführen durfte. Der entnervte Dassoud war gezwungen, zwei kostbare Wochen damit zu vergeuden, nach Gedumah zu reiten, Mahmud Bari wie eine Bockwurst aufzuschlitzen und die drohende Rebellion niederzuwerfen. Und als wäre das noch nicht genug, wählten die Fulah ebendiesen Moment für einen Überraschungsangriff auf Jafnu.
    Dassoud hatte jede dieser Herausforderungen mit der ihm eigenen Kürze und Würze erledigt, dabei aber kostbare Zeit verloren. Jede Ablenkung machte ihn rasend vor Wut, brachte sie ihn doch von seinem Ziel ab. Jeder kleine Ärger – ob es nun die Notwendigkeit war, rasch irgendwo dreihundert Männer, Frauen und Kinder der Fulah niederzumetzeln, oder die Tatsache, daß seine Ziege zu weich gekocht und sein Kuskus zu pampig war – erboste ihn derart, daß er meinte, ihm platze der Schädel, und er schrieb es alles dem Entdeckungsreisenden zu. Das Ausradieren der
Nazarini
wurde ihm zur gärenden Zwangsvorstellung, einer fixen Idee, die Tag und Nacht in seiner Seele brodelte, einem Feuer, das mit jedem Hindernis, das sich ihm in den Weg stellte, nur um so heißer loderte. Jetzt aber, nach zweieinhalb Monaten ärgerlicher Aufenthalte, war Dassoud voll in Fahrt, donnerte durch die Straßen von Sansanding wie ein besessener Dämon.
     
    Bläßhühner sind auf dem Fluß, und Regenpfeifer. Die Wasserfläche wogt und brodelt von den letzten wütenden Güssen des Monsuns, und einige wenige schlanke Kanus der Eingeborenen gleiten auf ihr dahin wie der Wind durch übriggebliebene Fetzen des Morgennebels. «Sind alle drin?» ruft Mungo und fühlt sich wie als Junge auf dem Yarrow, als er mit Ned Rise durch die Strömung watet, die Schultern an den Rumpf der
H.M.S. Joliba
gedrückt. Und dann, fröhlich wie ein Bräutigam beim Ausbringen eines Trinkspruchs, läßt er eine Kalebasse mit
fou
am Bug zerschellen und gibt die Order zum Ablegen.
    Martyn, der mit dem Bart und den vom Suff gezeichneten Augen doppelt so alt wie neunzehn aussieht, steht an der Ruderpinne; die anderen, auch Amadi Fatoumi und seine drei Gefolgsleute, lümmeln herum, die Paddel liegen in einem wirren Haufen. Da der Fluß so viel Wasser führt, sollte das Fortkommen kein Problem sein: obwohl sie voll beladen ist, ist die
Joliba
leicht wie ein Zweiglein und wendig wie ein Matrosentraum.
    Als die Strömung das lange Boot erfaßt und herumwirft, hüpft Ned Rise behende an Bord, nur Mungo wartet noch, übertreibt ein wenig, das Wasser steht ihm schon bis zur Brust, und er schiebt unnützerweise immer noch an. In diesem Moment hallt der erste Schuß übers Wasser. Erschrocken und verwirrt blickt der Entdeckungsreisende zuerst zu Martyn – der Leutnant reißt den

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