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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schwimmen sie an den Enden der aufgedunsenen Extremitäten wie Enten auf einem Teich. Er ist fasziniert. Ihre Finger und Zehen sind mit Ringen geschmückt, und aus irgendeinem Grund – vielleicht um die Aufmerksamkeit auf ihren Liebreiz zu lenken – sind sowohl Hände wie Füße safrangelb gefärbt. Der Effekt ist verblüffend. Als sie ihm endlich den Kopf zuwendet, schnappt sie nach Luft und stößt ein leises Quietschen aus. Ali stürzt zu ihr, quasselt etwas auf arabisch. Als sie ihm antwortet, klingt ihre Stimme sanft und sinnlich wie ein milder Regen im Sonnenschein.
    Mungo stupst seinen Dolmetscher an.
    «Sie sagt, daß sie Angst hat», flüstert Johnson.
    «Angst? Ich bin’s doch, der hier womöglich zu Frikassee gemacht wird.»
    «Sie sind Christ. Für sie ist das so was wie ein Kannibale oder ein Werwolf oder so.»
    «Und was ist mit dir?»
    «Halt mich da raus, Bruder – ich bin Animist. Psst   … jetzt meckert sie über den Gestank   … ‹Riechen die alle so?›»
    Plötzlich bellt Ali einen barschen Befehl. «Er will unsauf den Knien sehen», übersetzt Johnson, läßt sich niedersinken und berührt mit der Stirn den Sand. Der Entdeckungsreisende tut es ihm nach. In dieser Pose verharren sie längere Zeit («Langsam fühl ich mich wie ein Vogel Strauß», witzelt Johnson), bis eine spitze Näselstimme anfängt, die Abendgebete zu jodeln. Es ist der
muezzin
, der irgendwo draußen vor dem Zelt stationiert ist. Nun werfen sich auch Ali und Dassoud auf die Knie, und Fatima rutscht von ihrem Thron wie eine Gewitterwolke, die sich einen Berghang herabwälzt. Als sie die Stirn nach vorne neigt, spürt der Entdeckungsreisende den Blick ihrer schweren schwarzen Augen auf sich.
    Als die Gebete endlich zu Ende sind, schleppt sich Fatima auf ihr Kissen zurück, setzt sich etwas geziert zurecht und schickt dann Dassoud und ihren Gatten dezent hinaus. Nun wendet sie sich an Mungo und seinen Dolmetscher und bittet sie, Platz zu nehmen. Hinter ihnen ist klammheimlich der Nubier hereingekommen, den Krummsäbel in der Hand. Lange Zeit bleibt es ganz still. Fatima und ihre Dienerinnen geben sich dem Augenschmaus der blonden Erscheinung im blauen Samtjackett hin. Schließlich richtet die Königin das Wort an ihn, einen einzigen Satz, bei dem ihre Stimme sich hebt, wie auf dem Scheitelpunkt einer Frage.
    Mungo sieht Johnson an.
    «Sie sollen aufstehen und Ihr Jackett ausziehen.»
    Mungo erfüllt den Wunsch, und eins der Mädchen kommt herübergehuscht, um ihm das Stück abzunehmen und der Königin zu überbringen. Fatima betrachtet die Jacke schweigend, fährt mit der Hand über die Rückseite des Stoffs und knabbert prüfend an einem der Messingknöpfe. Der Entdeckungsreisende steht in seiner
jubbah
da wie ein Kind im Nachthemd. «Schenken Sie’s ihr», flüstert Johnson.
    Der Entdeckungsreisende räuspert sich und bietet ihr inseinem besten Arabisch das Jackett zum Geschenk dar. Sie sieht ihn an und lehnt höflich ab, konfisziert aber immerhin zwei der Messingknöpfe. «Für Ohrringe», erklärt sie und hält sie an die Falten des
yashmak
. Im Schatten krächzt einer der Falken: Ka-ka! Ka-ha! Fatima befeuchtet sich die Lippen. «Mag er ein wenig Schweinefleisch?» fragt sie.
    «Sagen Sie nein», rät Johnson.
    In diesem Moment kommt Einauge mit einem angeleinten Pinselschwein herein. Das Tier hat eine längliche Schnauze, die da und dort von Höckern und Wülsten entstellt ist, gelbliche Hauer und einen heimtückischen Blick. Voller Gehässigkeit bietet Einauge Mungo das Schwein an. «Snork-snork», macht das Schwein.
    «Spielen Sie den Angewiderten», instruiert ihn Johnson.
    Der Entdeckungsreisende gibt sich Mühe, Ekel und Entsetzen auszudrücken, da er ja weiß, wie tief die Mauren Schweinefleisch verabscheuen. Mit zitternden Knien weicht er zurück, schlägt sich auf die Stirn und zerrt an seiner Unterlippe, während das Pinselschwein, das nun wie eine Ziehharmonika quietscht, stampfend und scharrend an der Leine reißt. Die kleine Vorstellung scheint Fatima zu besänftigen, also wirbelt Mungo noch wilder im Kreis herum – trägt ziemlich dick auf dabei   –, bis er versehentlich in die Sitzstange der Falken stolpert. Dies ist, wie ihm unverzüglich klar wird, ein schwerer Fehler. Bei der Berührung seines Ellenbogens gehen die Vögel hoch und kreischen ihm ins Gesicht, Schnäbel und Klauen scharf wie Scheren, Flügel knallen ihm um die Ohren. Dann hüpft ihm der größere der beiden auf die Schulter. Er

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